Die Bundesregierung trifft Vorbereitungen für einen möglichen Kriegsausbruch in der Ukraine. So wurde am Sonntag ein "Krisenkabinett" eingerichtet, dem Kanzler Karl Nehammer, Außenminister Alexander Schallenberg, Innenminister Gerhard Karner, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Energieministerin Leonore Gewessler angehören.

Am heutigen Montag sind die Oppositionschefs zu einem Treffen mit Geheimdienstexperten ins Kanzleramt geladen. "Die Lage in der Ukraine verschlechtert sich stündlich, das Schreckgespenst eines Krieges in Europa ist leider real", so Nehammer. "Unser aller Ziel ist es, einen Krieg zu verhindern. Wir müssen uns auf die schlimmsten Szenarien vorbereiten."

Könnte das Gas knapp werden?

Abgesehen von der drohenden humanitären Katastrophe, die jeder Krieg bringt, stehen zwei Fragen ganz oben auf der Agenda der Bundesregierung: die Energieversorgung sowie eine mögliche Flüchtlingswelle, von der auch Österreich betroffen sein könnte. Österreich ist im Energiebereich in hohem Ausmaß von Russland abhängig, mehr als 60 Prozent des Erdgases stammt aus Russland. Derzeit sind die Gasspeicher allerdings nur zu 21 Prozent gefüllt. Der Kleinen Zeitung liegen Unterlagen vor, in denen Krisenszenarien skizziert werden. Drosselt Russland die Zufuhr um 50 Prozent, wäre die „Versorgung unabhängig von der Wetterlage bis zum Sommer gesichert.“ Käme es zum Totalausfall aller Zufuhren, nicht nur aus Russland, sondern auch aus Norwegen oder Italien, hinge die Versorgung des Landes in erster Linie vom Wetter ab. Bei einem extremen Kälteeinbruch wären die Speicher Mitte März (Kalenderwoche elf) leer, in Wien würde es in den Wohnungen schlagartig kalt werden. Bei einem durchschnittlichen Wetter würde das Gas im Juni (Kalenderwoche 23) zur Neige gehen, bei einem extrem milden Winter wäre die Versorgung bis in den Sommer hinein gesichert, so die Berechnungen der Regierung. EU-Kommissionspräsident Ursula von der Leyen enthüllte allerdings am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz, dass Japan und Südkorea bereit wären, bei einem Totalausfall Europa mit Flüssiggas unter die Arme zu greifen. Beide Länder seien bereit, notfalls Schiffe mit Flüssiggas Richtung Europa zu schicken.

Völlig offen ist, ob eine allenfalls einsetzende Flüchtlingswelle auch Österreich erreicht. 2014, als Moskau die Krim annektiert und die Ostgrenze besetzt hat, setzten sich 1,5 Millionen in Bewegung, fast alle blieben in Ukraine. In Österreich klopften damals nicht einmal 1000 Leute an. Die heute in Wien geplante "Abschiebekonferenz" der europäischen Innenminister könnte einen völlig anderen Verlauf nehmen. 

Wie steht es um Österreichs Neutralität?

Österreich hat schon vor 30 Jahren seine "neutralitätspolitische Unschuld" verloren. Nach dem Einmarsch des irakischen Diktators Saddam Hussein in Kuwait 1991 suchten die USA in Wien um Überflugrechte an, um militärisches Material in den Nahen Osten zu verlegen. Dem politischen Selbstverständnis nach hätte Österreich sagen müssen: Wir halten uns aus dem Krieg heraus. Nach tagelangem Hin und Her verständigten sich Kanzler Franz Vranitzky und Außenminister Alois Mock auf die glorreiche Formel: Liegt ein Mandat des UN-Sicherheitsrats vor, hat die Solidarität Vorrang vor der Neutralität. Über Tirol wurden US-Panzer aus Deutschland nach Italien transportiert, um in die Kriegsregion verschifft zu werden.

Spätestens mit dem EU-Beitritt 1995 war die politische Neutralität erledigt. Wann immer von der EU Sanktionen gegen einen Staat verhängt werden, ist Österreich mit an Bord. Die Beschlüsse fallen einstimmig, das sehen die EU-Verträge so vor. Das war auch 2014 der Fall, als die EU Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim und der Okkupation der Ostukraine verhängt hat – zum Leidwesen der steirischen Apfelbauern, die Opfer der russischen Gegensanktionen geworden sind.

In der Ukraine-Krise war Österreich nie neutral. Sollte Putin in der Ukraine einmarschieren, werden alle 27 EU-Staaten, darunter auch Österreich, weitere Sanktionen gegen Moskau verhängen. Für Länder wie Österreich, die stärker mit Russland verflochten sind als andere, mag das schmerzhaft sein. Hinter den Kulissen wird wohl versucht werden, das eine oder andere Detail aus dem Sanktionskatalog rauszuverhandeln. Bundeskanzler Karl Nehammer meinte kürzlich auf Puls24: "Wenn es um den Frieden geht, war Österreich noch nie neutral."

Auch die militärische Neutralität ist löchrig geworden. 20 Jahre lang waren Bundesheer-Soldaten an der Seite der Nato in Afghanistan stationiert. Im Kosovo steht das Bundesheer seit Jahren unter Nato-Kommando. Militärisch reduziert sich Österreichs Neutralität auf die Nichtmitgliedschaft in einem Militärbündnis und auf den Passus, dass keine fremden Truppen in Österreich stationiert sein dürfen. Andererseits gehört das Bundesheer der EU-Battlegroup an, die auch zum robusten, friedensschaffenden Einsatz in Marsch gesetzt werden kann.