Frankreichs Präsident Emmanuel Macron war dafür vor seinem Zusammentreffen mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin nicht zu haben – und auch Deutschlands Kanzler Olaf Scholzverweigerte nun einen russischen PCR-Test und ließ lieber die deutsche Botschaftsärztin den nötigen Abstrich nehmen. Ausgewertet wurde dann mit einem eigens aus Deutschland mitgebrachten Gerät.

Der Grund dafür liegt in beiden Fällen auf der Hand bzw. klebt am Wattestäbchen, wie Erwin Petek, stellvertretender Leiter des Diagnostik- und Forschungsinstituts für Humangenetik an der Med Uni Graz im Interview erklärt: "Wir haben in der Mundhöhle viele kernhaltige Zellen – jede hat das gesamte Genom im Zellkern. Das sind drei Millionen Basenpaare im einfachen Chromosomensatz. Und: Jeder Mensch hat ein individuelles Genom."

 Erwin Petek, stellvertretender Leiter des Instituts für Humangenetik an der Med Uni Graz
Erwin Petek, stellvertretender Leiter des Instituts für Humangenetik an der Med Uni Graz © Med Uni Graz



Dass die Regierungen Vorsicht walten lassen, was die DNA-Daten ihrer Spitzen anbelangt, ist für Petek nachvollziehbar: "Daraus kann etwa eine Prädisposition für Erbkrankheiten abgeleitet bzw. Ahnenforschung betrieben werden." Man könnte Erkrankungen herauslesen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ab einem gewissen Alter auftreten – etwa auch Alzheimer.

Nicht nur das: "Das Genom ist so individuell, dass man forensisch ermitteln kann, ob eine Person an einem gewissen Ort war." Petek ergänzt hypothetisch (und schmunzelnd): "Hätte einer dieser Herren ein Kind im Ausland gezeugt, wäre auch das beweisbar." All das könnte für einen Politiker negative Folgen haben und Auflagen für Erpressungsversuche bieten.

Ein Schleimhautabstrich liefert viele kernhaltige Zellen, um Schlüsse ziehen zu können – mehr Material also als etwa ein einzelnes Haar: "PCR, also die 'Polymerase-Kettenreaktion', ist ein biochemischer Prozess zur Vermehrung von DNA-Fragmenten." Petek betont, dass die Regeln in Österreich sehr streng sind, Beratung und Zustimmung für genetische Untersuchungen obligatorisch sind.

Siegfried Beer, Historiker und Geheimdienstexperte an der Grazer Karl-Franzens-Universität
Siegfried Beer, Historiker und Geheimdienstexperte an der Grazer Karl-Franzens-Universität © Unipress

Auch Siegfried Beer, Historiker und Geheimdienstexperte an der Grazer Karl-Franzens-Universität, kann verstehen, "dass man im Sicherheitstross der Staatsmänner verhindern wollte, sensible Informationen einer DNA-Analyse preiszugeben. Noch dazu in Russland "mit seinen aggressiven Geheimdiensten". Beer nennt Literatur, in der von "Weaponized DNA" ("DNA als Waffe" bzw. "als Waffe missbrauchte DNA") die Rede ist. "Das Thema spielte eine Rolle bei Ex-US-Präsident Barack Obama, bei dem es Debatten um die Abstammung gab", so Beer gegenüber der Kleinen Zeitung.

Fazit: Dass Scholz und Macron bei ihren Visiten jetzt (eigene) Abstriche machten, wirkt plausibel.