Der ehemalige US-Vizepräsident Mike Pence hat Ex-Präsident Donald Trump erstmals öffentlich attackiert und ihm direkt widersprochen. "Ich habe diese Woche gehört, dass Präsident Trump gesagt hat, ich hätte das Recht, die Wahl zu kippen. Präsident Trump hat Unrecht, ich hatte kein Recht, die Wahl zu kippen", sagte Pence bei einem Auftritt im US-Bundesstaat Florida. Die Vorstellung, dass eine Person den Präsidenten der USA wählen könne, sei "unamerikanisch".
Der bibeltreue Republikaner galt Trump vier Jahre lang als treuer Vize – hatte sich aber nach der Kapitol-Attacke von Trump distanziert. Ihm werden schon länger Ambitionen auf eine Präsidentschaftskandidatur nachgesagt.
Pence bezog sich mit seinen Äußerungen auf die formelle Bestätigung des Wahlergebnisses der Präsidentschaftswahl im Kongress am 6. Jänner 2021, dem Tag der Kapitol-Attacke, bei der fünf Menschen ums Leben kamen. "Nach der Verfassung hatte ich kein Recht, das Ergebnis unserer Wahl zu ändern", sagte Pence am Freitag bei einer Veranstaltung der Federalist Society, einer Vereinigung sehr konservativer Juristen.
Gab Druck nicht nach
Pence hatte sich damals geweigert, Trumps Druck nachzugeben und die Zertifizierung der Ergebnisse der Wahl vom 3. November im Kongress zu verhindern. Trump wollte so Joe Bidens Wahlsieg in letzter Minute noch kippen. Pence hatte bereits damals erklärt, dass ihm sein Eid zum Schutz der Verfassung das nicht erlaubte. Trump war seinen ehemaligen Stellvertreter deswegen mehrfach öffentlich angegangen. Vizepräsidenten spielen bei der offiziellen Bestätigung des Wahlergebnisses im Kongress nur eine zeremonielle Rolle.
Beachtliche Aussage
Die Worte des 62-Jährigen gelten eigentlich als Selbstverständlichkeit – sind aber in dieser Deutlichkeit doch beachtlich, hat er doch bisher eine öffentliche Konfrontation gemieden. Trump – der sich trotz Dutzender gescheiterter Klagen bis heute weigert, seine Niederlage anzuerkennen – holte direkt zum Gegenangriff aus. Pence habe sich zu einer Art automatischem Fließband gemacht, um Biden so schnell wie möglich zum Präsidenten zu machen, ließ der Ex-Präsident über seine Sprecherin Liz Harrington mitteilen.
In Washington wird schon länger vermutet, dass Pence womöglich Ambitionen haben könnte, bei der Präsidentschaftswahl 2024 als Bewerber der Republikaner anzutreten. Sollte Trump ebenfalls seine Kandidatur erklären, würden die beiden als Konkurrenten im parteiinternen Wettstreit gegeneinander antreten. Trump ist in der Partei immer noch extrem mächtig. Wer sich gegen ihn ausspricht, bezahlt dies in der Regel mit seiner Karriere. Jüngstes Beispiel sind die republikanischen Abgeordneten Liz Cheney und Adam Kinzinger. Wegen ihrer Mitarbeit im Untersuchungsausschuss zum Kapitol-Angriff hat die republikanische Partei die beiden erst am Freitag formell gerügt.