Einen Tag vor dem Jahrestag des Militärputsches in Myanmar hat die Justiz die entmachtete und unter Hausarrest stehende Regierungschefin Aung San Suu Kyi des Wahlbetrugs angeklagt. Der ebenfalls im Zuges des Putsches entmachtete frühere Präsident Win Myint müsse sich wegen des gleichen Vorwurfs verantworten, berichteten mit dem Gerichtsverfahren vertraute Personen am Montag. Demnach beginnt der Prozess am 14. Februar. Die Urteile würden in etwa einem halben Jahr erwartet.
Gegen beide Politiker laufen bereits zahlreiche Verfahren. Die Friedensnobelpreisträgerin hatte bereits in der Vergangenheit insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest gestanden. Seit 2016 war sie faktische Regierungschefin. Sie ist beim Volk sehr beliebt. Bei der Parlamentswahl im November 2020 sicherte sie sich mit klarem Vorsprung eine zweite Amtszeit. Beobachter glauben, dass sie den Generälen, die Burma Jahrzehnte lang mit eiserner Faust regiert hatten, zu gefährlich geworden war und diese deshalb am 1. Februar 2021 putschten. Die Junta begründete den Umsturz hingegen von Anfang an mit angeblichem Wahlbetrug - Beweise dafür wurden aber nicht vorgelegt.
Elf weitere Anklagepunkte und bis zu 160 Jahre Haft
Insgesamt sieht sich die 76-Jährige noch mit elf weiteren Anklagepunkten konfrontiert. Bei zehn davon geht es um Verstöße gegen ein Anti-Korruptionsgesetz. Den Angaben zufolge drohen ihr deswegen bis zu 160 Jahre Haft. Vor drei Wochen wurde Suu Kyi wegen des Imports eines Funkgerätes und eines Verstoßes gegen Corona-Bestimmungen bereits zu vier Jahren Haft verurteilt. Im Dezember war sie in zwei anderen Anklagepunkten schuldig gesprochen und zunächst ebenfalls zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Wenige Stunden später gab die Militärjunta aber bekannt, das Strafmaß auf zwei Jahre zu verkürzen.
Der Prozess findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Es ist unklar, ob Suu Kyi tatsächlich eine Haftstrafe antreten muss oder im Hausarrest bleiben wird. Beobachter und Menschenrechtsexperten sprechen von einem Schauprozess gegen sie.