Als Portugals sozialistischer Wahlsieger António Costa in der Nacht auf Montag in einem Hotel in Zentrum Lissabons vor seine Parteianhänger tritt, war ihm die Erleichterung anzusehen. Er ließ sich feiern. Sein Strahlen war selbst unter der roten Maske zu erkennen. Entgegen aller Wahlprognosen ist es den Sozialisten (PS) tatsächlich gelungen, bei den vorgezogenen Parlamentswahlen vom Sonntag mit 41,6 Prozent der Stimmen und 117 Mandaten die absolute Mehrheit zu erreichen.

Dabei war es bis zum Schluss der Wahlkampagne eine reine Zitterpartie. Die letzten Wahlprognosen hatten ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Regierungschef Costa und dem konservativen Oppositionsführer Rui Rio (PSD) erwartet. Es kam jedoch anders. Schließlich mussten sich die Konservativen nach dem Wahlsonntag mit nur 27,9 Prozent geschlagen geben. Rui Rio bot seiner Partei bereits seinen Rücktritt als Parteivorsitzender an.

"Dies ist der Sieg der Bescheidenheit, des Vertrauens und für die Stabilität", erklärte unterdessen der wiedergewählte Regierungschef Costa seinen jubelnden Anhängern in seiner Siegesrede. "Stabilität" sei vielleicht der beste Begriff, der den überraschend hohen Wahlsieg der Sozialisten erklären könne, meint Fernando Haro, Politologe an der Europa-Universität Lissabon.

Im Wahlkampf hatte Costa immer wieder gesagt, nur mit einer "stabilen Regierung" werde man wieder an die Erfolge der Zeit vor der Pandemie anknüpfen können. Nach den schweren Jahren der Euro-Krise hatte er Portugal sehr erfolgreich geführt. "Die Corona-Pandemie, die Furcht vor den möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Omikron-Welle. Die Portugiesen wollten Ruhe, eine politische Stabilität. Und Costa stand bisher für diese politische und wirtschaftliche Stabilität", erklärt Fernando Haro im Gespräch mit der APA den überwältigenden Wahlsieg der Sozialisten.

Tatsächlich überraschte Costa in der vergangenen Legislaturperiode viele seiner Landsleute und Skeptiker. Sie hatten ihre Zweifel, als Costa 2015 in einem losen Bündnis mit zwei Linksparteien die Macht übernahmen. Wahlsieger waren eigentlich die Konservativen, die jedoch keine Regierungsmehrheit hinbekamen. Dann einigte sich Costa mit dem Linksblock (BE) und den Kommunisten (PCP) auf eine Unterstützung seiner Minderheitsregierung. Nicht wenige waren überzeugt, Costa würde unter dem Druck der beiden linksextremen Parteien ebenfalls zu weit nach links ausschwenken. Doch Costa fuhr einen sozialpolitischen Reformkurs, hielt gleichzeitig die Staatsverschuldung in Schach und kontrollierte streng die Budgetmittel.

Angst vor den neuen Rechtspopulisten

Selbst nach dem Einbruch durch die Pandemie blieben die Arbeitslosenzahlen relativ stabil. Mittlerweile erwartet die Europäische Kommission, dass Portugal gegen Ende 2022 den Vorkrisenstand erreichen wird. Nach anfänglichen Fehlern und Pannen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie konnte Costa auch hier eine gute Figur machen. "Ihm gelang es nicht nur, Portugal mit einer Quote von 90 Prozent zu Europas Impfmeister zu machen. Er vereinte auch das gesamte politische Spektrum, damit bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie alle an einem Strang ziehen", betont Politologe Fernando Haro.

Was ihm vor allem im Wahlkampf gelungen ist: Er schürte gekonnt die Ängste und Befürchtungen der sozialistischen und linken Wähler: vor einer möglichen Machtübernahme der Konservativen, welche sich von den neuen Rechtspopulisten hätten unterstützen lassen müssen. Und schließlich auch vor den beiden großen Linksparteien, dem Linksblock und den Kommunisten. "Immer wieder machte er beiden Parteien für die politische Instabilität verantwortlich und die Ausrufung der Neuwahlen provoziert zu haben", versichert Haro.

Tatsächlich wurden den Neuwahlen mitten in der Omikron-Welle notwendig, nachdem der Linksblock und die Kommunisten sich im November weigerten, nicht mehr den neuen Haushaltsplan der Sozialisten für 2022 zu unterstützen, wohinter auch der Versuch stand, wieder mehr Linksprofil im Schatten der Sozialisten zu gewinnen. Doch der Plan ging nicht auf. Die Portugiesen machten beide Parteien für die politische Instabilität verantwortlich. Jetzt gehören der Linksblock und die Kommunisten zu den großen Wahlverlieren. Der Linksblock rutschte von 19 auf fünf Mandate ab. Die Kommunisten verloren die Hälfte ihrer Abgeordneten und kommen nur noch auf sechs Mandate. "Viele Wähler wollten anscheinend eine erneute Abhängigkeit der Sozialisten von diesen beiden Parteien vermeiden", so Fernando Haro.

Schwäche der Konservativen

Unterdessen hat der Wahlsieg der Sozialisten aber auch mit der Schwäche der konservativen Opposition zu tun. Rui Rio, der bei den Konservativen eher dem gemäßigten Sektor angehört, musste sich in den vergangenen drei Jahren bereits zwei Mal parteiintern gegen rechtere Kandidaten um die Parteiführung streiten. Von dieser Schwäche profitierten vor allem die neuen Rechtspopulisten von Chega ("Es reicht").

Deren Parteichef Andre Ventura machte vor allem gegen Roma, Abtreibung, hohe Steuern, Mautgebühren, Einwanderer und deren Subvention Stimmung. Mit Erfolg: Seine Partei, die bisher nur durch Ventura im Lissaboner Parlament vertreten war, ist mit über 7 Prozent der Stimmen und 12 Mandaten drittstärkste Fraktion geworden. Für Premier Costa war der sich schon während der Kampagne abzeichnende Erfolg der Rechtspopulisten jedoch ebenfalls ein Schlüssel für seinen Wahlsieg. Denn er konnte die Angst vieler Wähler vor einer konservativen Regierung schüren, die von den Rechtspopulisten abhängt.

"Eine absolute Mehrheit ist keine absolute Macht". Costa versicherte, er werde "für alle Portugiesen regieren" und wolle eine "dialogbereite Mehrheit" mit allen im Parlament vertretenen politischen Gruppierungen anführen - mit Ausnahme der rechtsextremen Partei Chega. Wie dialogbereit sich Costa wirklich zeigen wird, bleibt abzuwarten. Dabei steht er vor großen Herausforderungen: die hohe Steuerlast, niedrige Pensionen, geringe Gehälter, der sich zuspitzenden Wohnungsmangel. Auch die Jugendarbeitslosigkeit ist noch immer viel zu hoch.

Esther Maca, österreichische Wirtschaftsdelegierte in Portugal, gibt sich aber optimistisch. "Portugals Sozialisten agieren in der Wirtschaft nicht nach Idealismus, sondern als Pragmatiker. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind gut. Die Pandemie ist in Portugal im Griff", so Maca im APA-Gespräch. Costa dürfte schnell eine neue Regierung aufstellen, die auch rasch das dringend benötigte Budget verabschieden werde. Das 16 Milliarden Euro schwere Maßnahmenpaket gegen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie seien von der Europäischen Union abgesegnet. Fraglich sei nur, so Esther Maca, wie und ob Costa und seine Sozialisten mit ihrer absoluten Mehrheit nun notwendige strukturelle Reformen angehen wie in der Justiz, bei Bürokratieabbau, der Korruptionsbekämpfung sowie mit Blick auf die hohe Steuerbelastung von Unternehmen.