Der britische Premier Boris Johnson hat sich nach einer Gartenparty in seinem Amtssitz während des ersten Corona-Lockdowns entschuldigt. Er verstehe die Wut in der Bevölkerung über die Feier, sagte Johnson am Mittwoch im Parlament in London.
Der Premier räumte ein, dass er an der Zusammenkunft am 20. Mai 2020 teilgenommen hat. Er sei in den Garten seines Amtssitzes gekommen, um sich bei Mitarbeitern zu bedanken und habe geglaubt, es habe sich um ein Arbeitstreffen gehandelt.
Nach etwa 25 Minuten sei er zurück in sein Büro gegangen. Im Rückblick hätte er anders handeln müssen, räumte Johnson ein.
Labour-Chef Keir Starmer warf Johnson vor, mit dieser Erklärung die Bevölkerung zu beleidigen. Er forderte den konservativen Regierungschef zum Rücktritt auf.
Chronologie der Johnson-Ausrutscher
Der Druck auf den britischen Premierminister Boris Johnson wegen des Verhaltens seiner Regierung in der Coronakrise steigt und steigt und steigt. Seit Wochen steht er im Kreuzfeuer der Kritik, auch in den eigenen Reihen. Im Folgenden die Entwicklung der jüngsten Skandale rund um den Tory-Premier:
26. Oktober 2021 – Konservativer wegen bezahlter Lobby-Arbeit kritisiert
Dem konservativen Abgeordneten Owen Paterson aus dem ländlichen North Shropshire droht eine 30-tägige Suspendierung. Das Komitee zur Wahrung der Standards kommt zu dem Schluss, dass sich Paterson für Lobby-Arbeit hat bezahlen lassen und damit die Statuten missachtet hat.
03. November – Regeländerungen angestrebt
Die Regierung stimmt für eine Aufweichung der Regeln des Parlaments im Kampf gegen Korruption. Das könnte einen Abgang von Paterson verhindern. Der Vorstoß löst jedoch eine Debatte über Integrität unter der Führung Johnsons aus. Die Opposition wirft den Konservativen Korruption vor.
04. November – Kehrtwende der Regierung im Fall Paterson
Nach massivem Unmut in der eigenen Partei lässt die Regierung ihre Pläne zur Änderung der Statuten fallen. Paterson tritt zurück, womit eine Nachwahl in seinem Wahlkreis in North Shropshire nötig wird.
22. November - Peppa-Pig-Rede
Bei einer Rede verheddert sich Johnson in seinem Manuskript. Stattdessen erzählt er von seinem jüngsten Besuch in einem Themenpark für Kinder. Er ist an die erfolgreiche Zeichentrick-Serie Peppa Pig (deutsch: Peppa Wutz) über ein Schweinemädchen angelehnt. Den anwesenden Wirtschaftsvertretern erzählt er, dass alle so wie er am Vortag dem Park einen Besuch abstatten sollten. „Ich fand es toll. Peppa Pig World ist nach meinem Geschmack: Es gibt sichere Straßen und Disziplin an den Schulen.“ Seine Führung gerät erneut in die Kritik. Nachfragen von Reportern wischt er weg: „Ich glaube, die Menschen haben die meisten meiner Botschaften verstanden. Das lief sehr gut.“
30. November – Berichte über Weihnachtsfeier während des Lockdowns
Die Zeitung „The Mirror“ berichtet über eine Weihnachtsfeier im Dezember 2020 – der erste solche Bericht über Zusammenkünfte während des ersten Lockdowns in Regierungsbüros und Johnsons Büro am Amtssitz Downing Street. Zu der Zeit waren in England Kontakte stark eingeschränkt. Diesem ersten Bericht folgten in den Wochen danach noch weitere sowie Fotos als Belegmaterial. Auf einem dieser Fotos ist Johnson zu sehen, wie er ein Weihnachtsquiz für seine Mitarbeiter moderiert. Neben ihm ein Mitarbeiter mit einer Lametta-Girlande um den Hals.
07. Dezember – Mitarbeiter machen sich lustig
ITV veröffentlicht ein Video, in dem Mitarbeiter eine Pressekonferenz nachstellen und sich darüber lustig machen, wie sie eine Zusammenkunft in Downing Street erklären sollen. Nur Stunden zuvor hatte Johnson vor Reportern erklärt, dass er sehr zufrieden sei, dass keine Corona-Beschränkungen missachtet wurden.
08. Dezember – Johnson entschuldigt sich und Sprecherin geht
Johnson entschuldigt sich für das Video und erklärt, es mache ihn wütend. Seine Sprecherin und Beraterin, Allegra Stratton, die selbst in dem Video zu sehen ist, tritt zurück.
09. Dezember – Strafe wegen Renovierung von Downing Street
Die Konservative Partei wird von der Wahlaufsicht zu einer Strafe von 17.800 Pfund (aktuell 21.323,75 Euro) verdonnert. Der Partei wird vorgeworfen, eine Spende nicht ordnungsgemäß angegeben zu haben, mit deren Hilfe die Renovierung des Dienstsitzes Downing Street finanziert wurde. Dies warf die Frage wieder auf, wer für die Arbeiten aufgekommen ist. Medienberichten zufolge hat die Renovierung Hunderttausende Pfund gekostet.
14. Dezember – Zahlreiche Tory-Abgeordnete verweigern die Gefolgschaft
Johnson sieht sich mit einer regelrechten Revolte in den eigenen Reihen konfrontiert. Fast 100 Tory-Abgeordnete im Unterhaus stimmen gegen die von ihm geforderten neuen Regeln zur Eindämmung der Pandemie. Versuche hinter den Kulissen, die Tory-Abweichler doch noch auf Kurs zu bringen, scheitern. Die Schlappe schürt Zweifel an Johnsons Stellung in der Partei.
17. Dezember – Rücktritt des Chefermittlers zur Weihnachtsfeier-Affäre
Der Chef der laufenden Regierungsermittlungen zu möglichen Corona-Verstößen bei unzulässigen Weihnachtsfeiern, Simon Case, tritt zurück. Case habe sich zurückgezogen, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Untersuchung zu bewahren, teilt das Büro von Johnson mit. Case, der höchste britische Beamte, war selbst unter Druck geraten, nachdem britische Medien berichtet hatten, dass es in seiner Abteilung im Dezember 2020 Zusammenkünfte gegeben haben soll. Cases Aufgabe wird an Sue Gray, eine hochrangige Beamtin im Ministerium für Wohnungswesen und Gemeinden, übertragen.
17. Dezember – Verlust einer Hochburg
Johnsons Konservative Partei verliert bei der Nachwahl in North Shropshire einen Parlamentssitz. Die Abstimmung war nötig geworden, weil der bisherige konservative Abgeordnete, Paterson, zurücktreten musste. Die Wahl galt daher als wichtiger Stimmungstest. Es setzte sich überraschend die Kandidatin der Liberaldemokraten, Helen Morgan, durch. Damit ging für die Tories eine Region verloren, die sie seit fast 200 Jahren fest in der Hand hatten. Johnson übernimmt die Verantwortung.
18. Dezember – Rücktritt des Brexit-Ministers
Der britische Brexit-Minister David Frost tritt mit sofortiger Wirkung zurück. Als Grund gibt er Sorgen um den Kurs der Regierung an. Laut der Zeitung „Mail on Sunday“ war Frost über Johnsons politische Entscheidungen frustriert, darunter auch die Corona-Beschränkungen.
19. Dezember – Fotos einer Gartenparty tauchen auf
Die Tageszeitung „The Guardian“ veröffentlicht ein Foto von Johnson und mehr als einem Dutzend weiterer Personen beim Weintrinken im Garten von Downing Street. Das Foto soll am 15. Mai 2020 entstanden sein – also ebenfalls während des ersten Lockdowns. Auf dem Foto ist Johnson an einem Tisch auf der Terrasse sitzend zu sehen, vor sich ein Glas Wein. Neben ihm sitzt seine Lebensgefährtin Carrie mit dem gemeinsamen, neugeborenen Sohn im Arm. Zwei weitere Personen sind ebenfalls an dem Tisch. An einem zweiten Tisch auf der Terrasse sitzen vier weitere Personen und auf der Grünfläche etwas weiter weg ist eine Gruppe von neun Personen zu sehen. Sie stehen um einen Tisch herum, auf dem Weinflaschen zu erkennen sind. Johnsons Büro erklärte, es habe an dem Tag Mitarbeiterbesprechungen im Garten gegeben.
10. Jänner 2022 – Bekanntwerden einer Gartenparty während des ersten Lockdowns
Der Sender ITV veröffentlicht ein E-Mail von Johnsons Privatsekretär, in dem er für den 20. Mai 2020 über 100 Mitarbeiter zu einer Gartenparty am Amtssitz Downing Street 10 einlädt. Den Alkohol möge jeder selbst mitbringen. Dem Sender zufolge waren Johnson und seine damalige Lebensgefährtin und jetzige Ehefrau Carrie unter den etwa 40 Gästen. Am Mittwoch entschuldigt sich der Premier für seine Anwesenheit bei dem Treffen.