Eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates beim bulgarischen Präsidenten Rumen Radew am Montag hat sich vermutlich zu einem Coronavirus-"Superspreader"-Event entwickelt. Bereits am späten Montagabend gab Parlamentspräsident Nikola Mintschew bekannt, positiv auf Covid-19 getestet worden zu sein. Alle Teilnehmer der Sitzung, darunter der Staatspräsident, der Ministerpräsident, Klubobleute und Geheimdienstchefs befinden sich nun in Selbstisolation.
Bulgariens Chefepidemiologe Angel Kuntschew erklärte, man erwarte im Laufe des Dienstags die Ergebnisse der PCR-Tests aller Sitzungsteilnehmer ab und werde anschließend eine siebentägige Quarantäne anordnen. Die Maßnahme betrifft Präsident Radew, Ministerpräsident Kiril Petkow, die Fraktionsspitzen aller sechs Parlamentsparteien sowie die Führung der Sicherheitsdienste.
"Das Verhalten des Parlamentspräsidenten ist verantwortungslos", kritisierte die Fraktionsvorsitzende der größten Oppositionspartei GERB, Dessislawa Atanassowa, in Sozialen Netzwerken. Sie warf Mintschew vor, zum Zeitpunkt der sechsstündigen Sicherheitsratstagung gewusst zu haben, dass er Kontakt zum corona-infizierten Fraktionschef seiner regierenden Partei Wandel (PP) hatte.
Der Vorsitzende der national-populistischen Querdenker-Partei Wazraschdane (Wiedergeburt), Kostadin Kostadinow, machte rund um den Eklat einmal mehr Stimmung gegen die Anti-Corona-Maßnahmen im Land. "Ich sehe nicht ein, warum ich in Quarantäne gehen muss, werde aber die Anordnung des Gesundheitsamtes befolgen, auch wenn ich die Corona-Regeln für dumm halte", kommentierte Kostadinow. Er hat für morgigen Mittwoch eine Protestkundgebung vor dem Parlament in Sofia angemeldet.
Nordmazedonien weiter auf EU-Wartebank
Die Quarantänemaßnahmen stellen auch eine Reise von Ministerpräsident Petkow am 18. Jänner ins benachbarte Nordmazedonien infrage. Die Beziehungen zu dem EU-Kandidatenland, das seit Jahren auf den Beginn von Beitrittsverhandlungen wartet, waren das Thema der Dringlichkeitssitzung des Nationalen Sicherheitsrates. Bulgarien blockiert seit Ende 2020 den Beginn der Gespräche. Angesichts des wachsenden Drucks aus der EU wollte Präsident Radew mit allen Akteuren die weitere bulgarische Position beraten. Sofia bleibt demnach bei seinem Veto gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und pocht weiter darauf, dass Skopje einen bilateralen Freundschaftsvertrag einhalten soll. "Vier Jahre nach Unterzeichnung des Vertrags 2017 hat das Kandidatenland nicht das Notwendige für seine Umsetzung getan und gibt keine Garantie für die Umsetzung der daraus folgenden Verpflichtungen", erklärte Radew am Montagabend.
Bulgarien wirft Nordmazedonien die Fälschung der gemeinsamen Geschichte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges vor und kritisiert die Missachtung der Menschenrechte der bulgarischen Minderheit in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik. Um aus der Sackgasse des Streits zu kommen, beabsichtigt die neue bulgarische Regierung unter Petkow, Arbeitsgruppen zu anderen wichtigen, vor allem Wirtschaftsthemen, einzurichten, um so den Dialog in Gang zu bringen.