Russlands Präsident Wladimir Putin stellte sich bei der traditionellen Pressekonferenz zum Jahresende stundenlang den Fragen der Journalistinnen und Journalisten. Diese Jahrespressekonferenzen hatten auch in den vergangenen Jahren immer mehrere Stunden gedauert. Anders als vor einem Jahr durften heuer in einem Veranstaltungszentrum im Stadtzentrum Moskaus Medienvertreter anwesend sein.
Russlands Staatschef hat bei der Pressekonferenz mehr als ein Jahr nach der international kritisierten Vergiftung seines Gegners Alexej Nawalny Beweise für das Verbrechen gefordert. Der Westen habe bisher keinen Beleg für die „angebliche Vergiftung“ mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok vorgelegt. „Nichts. Null“, sagte Putin heute bei seiner großen Jahrespressekonferenz.
Mehrere Labors, darunter eines der deutschen Bundeswehr, hatten nach offiziellen Angaben die Vergiftung nachgewiesen. Der Kremlchef verteidigte auch das umstrittene Vorgehen gegen Andersdenkende und sogenannte „ausländische Agenten“. Vielen sei das „unbesiegbare“ Russland zu groß. „Man kann es nur von innen heraus zersetzen.“ Das müsse verhindert werden.
Viele Nichtregierungsorganisationen und Medien sind als „ausländischer Agent“ in Russland eingestuft, was sie als Stigmatisierung kritisieren. Putin betonte, dass Russland Klarheit wolle, wer vom Ausland Geld erhalte und im Interesse eines anderen Landes arbeite.
Die Sprecherin des inhaftierten Kremlgegners Nawalny, Kira Jarmysch, bezeichnete Putin auf Twitter als einen „Feigling“ und mit Blick auf die Attentate auf Oppositionelle als „Mörder“.
Nawalny befindet sich seit Anfang des Jahres in einem Straflager. Seine Vergiftung und seine anschließende Festnahme hatten das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Russland und Europa noch zusätzlich belastet. Der Westen hatte wegen des Verbrechens Sanktionen gegen Russland verhängt.
Verhandlungen mit USA
Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Verhandlungsbereitschaft der USA zu den von Moskau geforderten Sicherheitsgarantien im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt als "positiv" bewertet. "Bisher haben wir positive Reaktionen gesehen", sagte er bei seiner Jahrespressekonferenz in Moskau. "Unsere amerikanischen Partner haben uns gesagt, dass sie bereit sind, diese Diskussion, diese Verhandlungen Anfang kommenden Jahres in Genf zu beginnen."
"Eine weitere NATO-Osterweiterung ist nicht zu akzeptieren. Was ist daran nicht zu verstehen?", fragte der Kremlchef. "Wir wollen unsere Sicherheit festigen." Auf die Frage, ob er garantieren könne, dass Russland nicht die Ukraine überfalle, antwortete Putin, sein Land werde so handeln, wie es seine Sicherheitsinteressen verlangten. Zugleich warb er nochmals für seine Vorschläge für verbindliche Sicherheitsgarantien. "Hier darf es keine Tricks geben."
Erneut warf Putin dem Westen vor, in den Neunzigerjahren einen Zerfall Russlands angestrebt zu haben und anschließend die NATO trotz anderslautender Absprachen in den Osten erweitert zu haben. Die russischen Sorgen seien dabei wiederholt ignoriert worden.
Was vor der Pressekonferenz kursierte: Inmitten der Spannungen im Ukraine-Konflikt plane Russland ein Militärmanöver, das für neuen Zündstoff sorgen dürfte. Fallschirmjäger sollen noch in dieser Woche Übungen in der Nähe der ukrainischen Grenze abhalten, meldete die Nachrichtenagentur Interfax am Donnerstag unter Berufung auf das russische Verteidigungsministerium. Das Manöver solle auf der 2014 von Russland annektierten Krim und in der benachbarten Provinz Krasnodar stattfinden.
Rund 1.200 Soldaten mit mehr als 250 Militärfahrzeugen und Flugzeugen sollen laut Interfax am Manöver teilnehmen. Geübt werden soll demnach die Einnahme eines Gebiets im Rahmen eines Offensiv-Einsatzes.
Und während Putin seine Pressekonferenz hielt, ging man in einem anderen Teil Moskaus gegen eine Menschenrechtsorganisation vor: Vor einem Moskauer Gericht wurde über die Auflösung einer Unterorganisation der bedeutenden Menschenrechtsorganisation Memorial verhandelt. Der Richter Michail Kasakow eröffnete die Anhörung zu dem Menschenrechtszentrum Memorial am Donnerstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dies diene der "Sicherheit" der Prozessteilnehmer, sagte Kasakow. Menschenrechtler in Russland befürchten auch ein bevorstehendes Verbot der Dachorganisation von Memorial.
Bei eisigen Temperaturen protestierten vor dem Gericht in Moskau rund 30 Demonstranten gegen das strafrechtliche Vorgehen gegen Memorial und das Menschenrechtszentrum Memorial. Letzteres setzt sich für politische Gefangene und Minderheiten wie Migranten und Homosexuelle ein. Die russischen Behörden werfen dem Zentrum vor, gegen das "Ausländische-Agenten-Gesetz" verstoßen und Terrorismus verherrlicht zu haben.
In Russland sind zahlreiche Nichtregierungsorganisationen als "ausländische Agenten" eingestuft. Diese Organisationen müssen sämtliche ihrer Veröffentlichungen mit einer speziellen Kennzeichnung versehen. Zudem müssen sie ihre Finanzen offenlegen.
Auf Grundlage des "Ausländische-Agenten-Gesetzes" und der Terrorgesetzgebung waren in den vergangenen Jahren in Russland zahlreiche regierungsunabhängige Organisationen und oppositionelle Gruppen kriminalisiert worden. Im Februar wurden auch die Organisationen des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny verboten. Nawalny steht auf einer Liste von 420 politischen Gefangenen in Russland, die das Menschenrechtszentrum Memorial im Oktober veröffentlichte.
Für die kommende Woche wird in Russland die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die Auflösung von Memorial International - dem zentralen Teil der Memorial-Organisation - erwartet. Kritiker werfen den russischen Behörden vor, mit dem Vorgehen gegen Memorial den Druck auf Kritiker von Präsident Wladimir Putin zu erhöhen und auch ein Signal an den Westen senden zu wollen.