Die Wahllokale hatten kaum drei Stunden geschlossen, da war halb Chile schon in Feierlaune. Um kurz nach 21.00 Uhr tanzten, feierten, sangen und warteten bereits Zehntausende im Zentrum von Santiago auf Gabriel Boric, den strahlenden Sieger der Präsidentenstichwahl. Er kam wie immer im Wahlkampf im Jackett, aber ohne Krawatte. Sein Auto bahnte sich mühsam den Weg durch die Menge. Die letzten Meter zur Bühne musste der 35-Jährige zu Fuß zurücklegen. Dann stieg Boric auf die Bühne, holte einmal kurz Luft und sagte, an seine Anhänger wie an sich selbst gerichtet: „Wir stehen mit den Füßen auf der Erde“ und meinte damit, dass Entscheidungen in Chile künftig nicht von seiner Regierung innerhalb der vier Wände des Präsidentenpalastes getroffen würden, sondern kollektiv und nachvollziehbar.