Die Partei des britischen Premierministers Boris Johnson hat einen wichtigen Stimmungstest verloren. Bei einer Nachwahl für einen Sitz im britischen Unterhaus stimmten die Wähler in dem ländlichen Wahlkreis North Shropshire in Mittelengland laut offizieller Ergebnisse vom Freitag früh deutlich für die Kandidatin der Liberaldemokraten, Helen Morgan. Damit wurde die jahrzehntelange Dominanz der Tories in dem Wahlkreis erstmals gebrochen.
Morgan gewann mit einem Vorsprung von fast 6000 Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei gerade mal 46,3 Prozent – weit entfernt von den 62,9 Prozent bei den letzten Wahlen 2019. Damals hatte der konservative Abgeordnete Owen Paterson noch mit großer Mehrheit gewonnen. Die Nachwahl war nötig geworden, weil Paterson nach gut 24 Jahren im Parlament wegen einer Lobbyismus-Affäre zurückgetreten war.
Druck steigt
Die Niederlage droht den Druck auf Johnson weiter zu erhöhen. Johnson hatte sich Anfang November in die Affäre um Paterson eingeschaltet und versucht, ein Disziplinarverfahren gegen den Tory-Abgeordneten zu stoppen. Seitdem wuchs der Druck auf den Regierungschef weiter an: Am Dienstag musste er bei einer Abstimmung im Unterhaus einen schweren Dämpfer hinnehmen. Fast hundert Tory-Abgeordnete stimmten gegen die neuen Corona-Regeln seiner Regierung.
Johnson und seine Regierung stehen wegen einer Parteispenden-Affäre und mutmaßlicher Verstöße gegen die selbst gesetzten Coronaregeln auch in den eigenen Reihen in der Kritik. Insbesondere Berichte über eine Weihnachtsfeier von Johnsons engsten Mitarbeitern im vergangenen Jahr mitten im Corona-Lockdown hatten für Empörung gesorgt.
Berichte der Zeitungen "The Guardian" und "The Independent" über mögliche Verstöße von Johnson selbst heizten den Unmut am Donnerstag weiter an. Demnach soll der Premierminister am 15. Mai 2020 trotz der damals geltenden Corona-Beschränkungen kurz an einem Umtrunk in der Downing Street teilgenommen haben.