Nach den Morddrohungen gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) im Internet sind am Mittwoch sechs Objekte in Dresden und Heidenau (Sächsische Schweiz) durchsucht worden. Dabei stellten Beamte zahlreiche Beweismittel sicher, darunter Armbrüste und Waffen, wie ein Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) Sachsen an einem der Einsatzorte in Dresden-Pieschen der dpa mitteilte.

Dort waren aufgrund entsprechender Andeutungen über Waffen in der Telegram-Chatgruppe namens "Dresden Offlinevernetzung" auch Spezialeinheiten des LKA dabei. Ein Verdächtiger verließ mit den Ermittlern ein Haus.

"Ich bin froh, dass der Rechtsstaat heute im Freistaat gezeigt hat, wie wehrhaft er ist", sagte Kretschmer am Mittag bei einem Besuch des Leipziger Impfzentrums. "Bedrohungen gegen Amtsträger, seien es Bürgermeister, Gemeinde- und Landräte, Wissenschafter oder Journalisten, sind nicht hinnehmbar, werden nicht geduldet und mit aller Kraft verfolgt." Er kündigte zusätzliches Personal "für den Kampf gegen Extremisten" an. Jeder solle wissen, in Sachsen und in Deutschland könne man selbstverständlich seine Meinung sagen – auch was einem nicht gefalle. "Aber wenn Gewalt ins Spiel kommt, ist eine Grenze überschritten, was von uns nicht geduldet wird."

Sechs Verdächtige

Die Razzia richtet sich aktuell gegen sechs Verdächtige, die unter dem Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat ständen, sagte der LKA-Sprecher. Weitere Maßnahmen könnten folgen. "Die Chatgruppe war viel umfangreicher." Der seit 6 Uhr laufende Einsatz bezieht sich aktuell auf fünf Objekte, hauptsächlich Wohnungen, in verschiedenen Dresdner Stadtteilen und eines in der nahen Kleinstadt Heidenau.

"Es ist ein klares Signal: Der Rechtsstaat ist handlungsfähig", sagte Innenminister Roland Wöller (CDU) der dpa. Geschlossene Chatgruppen seien kein anonymer Raum für die Vorbereitung von Straftaten und schützten nicht vor Strafverfolgung. Das LKA sei den Tätern der Chatgruppe auf die Spur gekommen, obwohl diese bereits gelöscht gewesen sei. "Telegram darf kein rechtsfreier Raum sein, in dem gewaltbereite Rechtsextreme unbehelligt Straftaten begehen können."

Im Kommunikationsdienst Telegram waren laut einem Bericht des ZDF-Magazins "Frontal" von vergangener Woche Morddrohungen gegen Kretschmer aufgetaucht, unter anderem im Zusammenhang mit der Diskussion über eine Corona-Impfpflicht. LKA und Generalstaatsanwaltschaft hatten danach die Ermittlungen aufgenommen. In der Kommunikation der Telegram-Chat-Gruppe und in Gesprächen bei heimlich und auch teils offen gefilmten Treffen im Großraum Dresden gab es den Angaben nach Äußerungen zu Mordplänen bezüglich Kretschmer und weiteren Vertretern der Landesregierung.

Die Drohungen hatten bei Politikern für Empörung gesorgt. Kretschmer selbst hatte betont: "Wir müssen mit allen juristischen Mitteln gegen solch eine Entgrenzung vorgehen. Menschen, die öffentliche Ämter haben, sollen keine Angst haben müssen, ihre Meinung zu sagen und ihre Arbeit zu machen."

Regierungserklärung in Deutschland

Bundeskanzler Olaf Scholz wandte sich in seiner ersten Regierungserklärung in Berlin scharf gegen Hass und extremistische Tendenzen in der Coronakrise. "Wir werden es uns nicht gefallen lassen, dass eine winzige Minderheit von enthemmten Extremisten versucht, unserer gesamten Gesellschaft ihren Willen aufzuzwingen", sagte der SPD-Politiker im Bundestag. "Dieser winzigen Minderheit der Hasserfüllten, die mit Fackelmärschen, mit Gewalt und Mordaufrufen uns alle angreift, werden wir mit allen Mitteln unseres demokratischen Rechtsstaats entgegentreten."

In Berlin ermittelte unterdessen der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts, nachdem unter anderem Politiker in der Hauptstadt Drohbriefe erhalten haben. Wie der RBB am Dienstag mit Berufung auf Informationen des ARD-Hauptstadtstudios und des Politikmagazins "Kontraste" berichtete, wird in den Drohschreiben "blutiger Widerstand" gegen die geplante Impfpflicht angekündigt. Die Schreiben enthielten demnach ein in Alufolie eingewickeltes Stück Fleisch. "Wir können diese Sachverhalte bestätigen", sagte eine Sprecherin der Berliner Polizei am Mittwoch früh. "Derzeit sind uns mehr als ein Dutzend dieser Sendungen bundesweit bekannt."

Sie seien etwa an Politiker, Medien und Behörden verschickt worden. Die Ermittlungen in Berlin habe der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts übernommen. Ermittelt werde wegen Störung des öffentlichen Friedens. Die bisherigen Analysen der Drohschreiben samt der Fleischstücke hätten keine Hinweise auf Substanzen ergeben, die in irgendeiner Art gefährlich werden könnten, sagte die Sprecherin.

Nach den ARD-Informationen enthielten die Schreiben den Hinweis: "Das Fleisch ist mit ausstrahlenden Covid-19-Viren und mit Zyklon B durchseucht. Der Widerstand gegen die Impfung und die Maßnahmen wird blutig und unappetitlich."

An wen die Drohschreiben im Einzelnen adressiert gewesen seien, gab die Berliner Polizei nicht bekannt. Dem RBB zufolge hat auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller einen solchen Brief erhalten. Auch zu möglichen Hinweisen auf den Absender machte die Sprecherin keine Angaben.