Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen polnischen Sicherheitskräften und Migranten an der belarussischen Grenze hat es am Dienstag mehrere Verletzte gegeben. Sieben Polizisten, ein Grenzschützer und ein Soldat wurden demnach verletzt. Die Nacht auf Mittwoch ist dagegen am Übergang Kuznica-Brusgi an der belarussisch-polnischen Grenze nach Angaben von Polens Polizei ruhig verlaufen.
Ein Teil der Migranten auf der belarussischen Seite sei in das frühere Zeltlager zurückgekehrt, ein anderer Teil habe die Nacht beim belarussischen Grenzabfertigungsterminal verbracht, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. In der Grenzregion seien keine Schlepper festgenommen worden.
Wasserwerfer gegen Migranten
Am Dienstag hatten polnische Sicherheitskräfte nach übereinstimmenden Berichten aus Polen und Belarus Wasserwerfer gegen Migranten eingesetzt. Der Sprecher des Koordinators der polnischen Geheimdienste, Stanislaw Zaryn, sprach von einer "koordinierten Attacke gegen die polnische Grenze". Die Migranten hätten die Beamten und Soldaten mit Steinen, Flaschen und Erdklumpen beworfen. Sie seien außerdem mit Knallgranaten und Steinschleudern ausgestattet gewesen.
Belarussische Sicherheitsorgane hätten die Aktion koordiniert und beobachtet. Die Auseinandersetzungen waren polnischen Angaben zufolge nach zwei Stunden beendet. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen, weil Polen keine Medien für eine Berichterstattung aus der Grenzregion zulässt. Nach belarussischen Angaben mussten auch mehrere Migranten medizinisch behandelt werden.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow verurteilte das Vorgehen der polnischen Sicherheitskräfte als "absolut inakzeptabel". Nach seinen Angaben feuerten diese auch "Schüsse über die Köpfe von Migranten hinweg in Richtung Belarus" ab.
Die Regierung in Minsk warf Warschau vor, für die Gewalteskalation verantwortlich zu sein. Von der polnischen Seite seien "direkte Provokationen und unmenschliche Behandlung" der "benachteiligten" Menschen an der Grenze ausgegangen, erklärte Außenamtssprecher Anatoli Glas.
Schwere Vorwürfe gegen Lukaschenko
Die EU wirft hingegen dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko vor, absichtlich Flüchtlinge ins Grenzgebiet zur EU zu schleusen, um sich für frühere Sanktionsbeschlüsse der Europäischen Union zu rächen. Minsk weist diese Anschuldigung zurück.
Lukaschenko versicherte am Dienstag, er wolle eine "hitzige Konfrontation" an der Grenze vermeiden. Mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel sei er in einem Telefonat am Montag darin einig gewesen, dass eine Eskalation niemandem nütze - "weder der EU noch Belarus", sagte Lukaschenko laut der staatlichen Nachrichtenagentur Belta. Nach Angaben des Kreml telefonierte er am Dienstag auch mit Russlands Präsident Wladimir Putin zur Lage an der EU-Grenze.
Dem polnischen Grenzschutz zufolge campieren derzeit rund 4.000 Flüchtlinge bei eisigen Temperaturen auf der belarussischen Seite der Grenze. Am Dienstag kündigte Minsk die Errichtung eines "logistischen Zentrums" in der Region Grodno an, in dem Migranten übernachten könnten.
"Extrem gefährliche Situation"
Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, sprach nach einem Besuch von Gebieten auf der polnischen Seite der Grenze von einer "extrem gefährlichen Situation". Sie forderte einen uneingeschränkten Zugang für Hilfsorganisationen und Medienschaffende zum Grenzgebiet. Auf der Grundlage eines Ausnahmezustands verbietet Warschau derzeit Helfern und Journalisten den Zugang zum Grenzgebiet.
Die EU bereitet derzeit neue Sanktionen gegen Belarus vor. Die Weichen dafür hatten am Montag die EU-Außenminister gestellt. Auch das US-Außenministerium kündigte neue Strafmaßnahmen gegen Minsk an. Zugleich übte die EU zuletzt Druck auf Herkunfts- und Transitländer der Flüchtlinge aus, um Flüge nach Minsk zu unterbinden. Teilweise zeigte dies bereits Erfolg.
Turkish Airlines sperrte alle Flüge nach Minsk für Menschen aus Syrien, dem Irak und Jemen, die syrische Fluggesellschaft Cham Wings stellte ihre Verbindung in die belarussische Hauptstadt ein. Die irakische Botschaft in Moskau kündigte am Dienstag an, mit der freiwilligen Rückführung von Irakern aus Belarus zu beginnen. Am Donnerstag sollen demnach 200 Menschen in den Irak zurückgeflogen werden.