Polens Grenzschutz hat den Sicherheitskräften in Belarus vorgeworfen, die an der gemeinsamen Grenze feststeckenden Migranten auf einen Durchbruch der Sperranlage vorzubereiten. Bei dem Grenzort Kuznica seien in dem Lager auf der belarussischen Seite viele Zelte verschwunden, schrieben die Grenzer am Sonntag auf Twitter. "Die Ausländer bekommen Instruktionen, Werkzeuge und Tränengas von den belarussischen Sicherheitsorganen."
Das Verteidigungsministerium teilte mit, die Flüchtlinge hätten Äste aus dem Wald zusammengetragen. Zudem seien viele belarussische Medien präsent. Die polnische Polizei warnte die Migranten per Lautsprecherdurchsagen auf Englisch: "Wenn Sie die Anweisungen nicht befolgen, wird Gewalt angewendet."
Nicht überprüfbar
Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen, da Polen in der Grenzregion den Ausnahmezustand verhängt hat.Journalisten und Helfer dürfen nicht hinein. Das gilt auch für das Grenzgebiet auf belarussischer Seite. An Polens Grenze zu Belarus harren auf der belarussischen Seite seit mehreren Tagen Tausende Migranten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in provisorischen Camps im Wald aus. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko wird beschuldigt, in organisierter Form Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen.
Oppositionelle belarussische Telegram-Kanäle veröffentlichten am Sonntagnachmittag Videos, auf denen größere Migrantengruppen zu sehen sein sollen, die sich der polnischen Grenze nähern. "Es werden immer mehr Migranten", hieß es etwa beim Medium Nexta.
Grenze durchbrochen
Zuvor hatte eine Gruppe von etwa 50 Migranten nach Angaben der polnischen Polizei die Barriere an der Grenze zu Belarus durchbrochen und war nach Polen gelangt. Der Vorfall habe sich am Samstagabend in der Nähe des Dorfs Dubicze Cerkiewne ereignet, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Die Beamten hatten zunächst 22 Iraker festgenommen. Alle weiteren Migranten seien kurz darauf von Grenzschützern und Soldaten festgesetzt worden, sagte eine Sprecherin des Grenzschutzes.
Mit Steinen geworfen
Die gesamte Gruppe sei zur Grenze nach Belarus zurückgebracht worden, hieß es weiter. Nach Angaben der Polizei versuchte eine weitere größere Gruppe auch unweit des Dorfs Kolonia Klukowicze, über die Grenze zu gelangen - jedoch vergeblich. Die Flüchtlinge bewarfen die Beamten demnach mit Steinen, ein Beamter wurde leicht verletzt. Die Polizei nahm zudem in der Grenzregion vier mutmaßliche Schlepper fest, die mit Flüchtlingen unterwegs waren. Dabei handelt es sich den Angaben zufolge um zwei Georgier, einen Polen und einen Syrer.
Warn-SMS an Migranten
Polen warnte unterdessen die Migranten per SMS, Gerüchten über einen angeblich bevorstehenden Transit nach Deutschland nicht zu glauben. Unter ihnen kursiere die Nachricht, dass am 15. November Busse aus Deutschland die Migranten abholen würden und Polen sein Einverständnis zur Durchfahrt gegeben habe, hieß es in der Kurznachricht. "Das ist eine Lüge und Unfug! Polen wird seine Grenze zu Belarus weiterhin schützen."
Die SMS auf Englisch würden alle erhalten, deren Handys sich im Grenzgebiet in Reichweite des polnischen Mobilfunks befänden, twitterte Innenminister Mariusz Kaminski. Die Kurznachricht enthalte einen Link auf die Webseite seines Ministeriums, wo sich diese Botschaft in fünf Sprachen finde. Auch das Auswärtige Amt in Berlin widersprach Gerüchten, wonach Deutschland einen Transit für die Migranten an der polnisch-belarussischen Grenze plane. "Wer immer diese Lügen verbreitet, bringt Menschen in große Gefahr", teilte das Ministerium am Sonntag auf Twitter mit.
Sanktionen gegen Belarus
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bekräftigte in der französischen Zeitung "Le Journal du Dimanche", die EU-Außenminister würden am Montag Sanktionen gegen Belarus beschließen. Damit werde die Grundlage dafür gelegt, dass jeder Beteiligte an dem Menschenschmuggel mit Strafmaßnahmen belegt werden könne. Borrell telefonierte auch mit dem Außenminister der ehemaligen Sowjetrepublik, Wladimir Makej. Auf Twitter mahnte Borrell anschließend: "Menschen sollten nicht als Waffen benutzt werden." Die staatliche belarussische Nachrichtenagentur Belta meldete, Makej habe darüber informiert, dass sein Land Schritte gegen eine massenhafte Migration aus Asien, Afrika und dem Nahen Osten unternommen habe. Minsk sei bereit zum Dialog.
Polen erwägt nach Angaben von Regierungschef Mateusz Morawiecki zudem gemeinsam mit Litauen und Lettland, eine NATO-Sondersitzung zu beantragen. "Wir diskutieren gemeinsam mit Lettland und besonders mit Litauen, ob man nicht den Artikel 4 der NATO aktivieren soll", sagte Morawiecki am Sonntag der Nachrichtenagentur PAP. Artikel 4 sieht Konsultationen vor, wenn ein Mitglied meint, dass die Unversehrtheit des eigenen Territoriums, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht sei.