Britische Bauern haben wegen fehlender Lkw-Transporte Zehntausende Liter Milch vernichtet. "Der Mangel an Lkw-Fahrern hat ziemlich große Auswirkungen", sagt der Vorsitzende des Branchenverbandes Royal Association of British Dairy Farmers, Peter Alvis, zu Reuters. Schätzungen zufolge fehlen der britischen Transportbranche derzeit rund 100.000 Fahrer und Fahrerinnen. Das liegt vor allem daran, dass viele Trucker nach dem Brexit auf den europäischen Kontinent zurückgekehrt sind.
Bisher sei das Wegkippen von Milch noch kein flächendeckendes Problem - doch Berichte von Betroffenen mehren sich. Allein ein Milchviehhalter in Mittelengland hat in den vergangenen zwei Monaten 40.000 Liter vernichten müssen, weil kein Fahrer sie abholen konnte. "Es ist einschneidend und emotional erschöpfend, wenn man Milch produziert und am Ende des Tages den Stecker ziehen muss", sagt ein Landwirt in vierter Generation. Er will nicht namentlich genannt werden, da er negative Reaktionen fürchtet. In seiner 45-jährigen Karriere könne er sich nur an zwei oder drei Mal erinnern, in denen er Milch wegwerfen musste - damals aufgrund schlechten Wetters.
Johnson lässt sich trotz Krise bei Tory-Parteitag feiern
Doch beim Parteitag der britischen Konservativen in Manchester, der am Mittwoch zu Ende ging, lässt sich Parteichef Boris Johnson trotzdem kräftig feiern.
Hunderte Tory-Mitglieder ohne Masken und Abstand bejubeln Johnson in einem eigens für die Rede hergerichteten Saal als unangefochtenen Anführer - alle anderen Kabinettsmitglieder hatten sich bei ihren Auftritten mit einem kleineren Raum zufrieden geben müssen. Ein britischer TV-Journalist spricht sogar davon, Johnson habe sich zumindest für die Dauer der Parteikonferenz den Kindheitstraum erfüllt, ein "Weltkönig" zu sein.
Höhere Löhne, höhere Produktivität, höhere Qualifikationen, mehr Wachstum und niedrigere Steuern - das alles werde mit einem von der Regierung herbeigeführten Wandel der britischen Wirtschaft erreicht werden, so Johnson in seiner mit Gags gespickten Ansprache. Noch keine Regierung vor ihm habe "den Mumm gehabt", die Probleme anzugehen, die er nun bewältigen wolle, prahlt der Premier. "Unkontrollierte Einwanderung" werde es hingegen nicht mehr geben.
Mit der Weigerung, die nach dem Brexit verschärften Einwanderungsregeln zu lockern, geht Johnson auf Konfrontation mit der Wirtschaft. Zahlreiche Unternehmensverbände kritisieren die Position der Regierung. Ein Verbandsvertreter spricht gar von einer "ziemlich beängstigenden" Botschaft.
Auch draußen vor dem Konferenzgelände ist vielen kaum zum Feiern zumute. Während des Parteitags versammeln sich dort wütende Schweinebauern und Schlachter, die sich von Johnson ans Messer geliefert fühlen. Auf Plakaten sind Sprüche zu lesen wie: "Schau her, Boris! Du tötest unsere Branche!"