Eine Woche nach der Bundestagswahl starten SPD und Union am Sonntag die Beratungen über die Bildung der künftigen Regierung. Die Verhandler der SPD um Kanzlerkandidat Olaf Scholz kommen zu getrennten Gesprächen mit der FDP und den Grünen zusammen. Am Abend beraten Verhandler der Union um Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) mit der FDP-Delegation um Parteichef Christian Lindner. Die beiden kleineren Parteien entscheiden darüber, ob Scholz oder Laschet Kanzler wird.
Unmittelbar vor den ersten Sondierungsrunden erhöhte die FDP den Druck auf die Union. "CDU und CSU müssen klären, ob sie wirklich eine Regierung führen wollen", sagte FDP-Chef Lindner der "Bild am Sonntag". "Manche Wortmeldung der CDU spekuliert ja, dass erst Verhandlungen mit der SPD scheitern sollen, bevor die Union wieder ins Spiel kommt. Das kann man unserem Land nicht zumuten." Damit meldet Lindner Zweifel an einer Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP an.
FDP-Generalsekretär Volker Wissing betonte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag), die FDP gehe offen in die Gespräche mit Union und SPD. "Wir haben eigene Grundwerte und ein eigenständiges Programm, das wir umsetzen wollen. Dazu brauchen wir Verbündete." Die künftige Regierung müsse fortschrittlich und bereit zu Reformen sein. Die Union forderte er auf zu klären, "ob sie an einem Strang zieht".
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte der "Bild am Sonntag": "Wir gehen mit großem Verantwortungsbewusstsein in die Gespräche mit FDP und Grünen." Er fügte hinzu: "Wir wollen unseren Beitrag in einem neuen Zukunftsbündnis dazu leisten, dass etwas Neues für unser Land entsteht."
Am Freitag hatten sich Grüne und FDP getroffen. Nach dreistündigen Sondierungen demonstrierten beide Seiten Einigkeit. Zwischenstände ihrer Beratungen wollten Lindner und die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck aber nicht verraten. Scholz und die SPD, die die Bundestagswahl gewonnen hatten, setzen auf eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen. So ein Bündnis wird laut Umfragen auch von der Mehrheit der Bevölkerung positiv gesehen.
Die FDP hatte ein Jamaikabündnis aus Union, Liberalen und Grünen bevorzugt. Laschet hatte deutlich gemacht, dass er trotz des Wahldebakels der Union ein solches Bündnis schmieden will. Die CDU/CSU war bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag auf den Tiefpunkt von 24,1 Prozent gestürzt. Die SPD wurde mit 25,7 Prozent stärkste Kraft. Die Grünen kamen als drittstärkste Kraft auf 14,8 Prozent. Dahinter lag die FDP mit 11,5 Prozent.