Ungewollt schwanger zu werden oder ein Kind abzutreiben sind bedrückende Situationen, die oft schwere Lebenskrisen auslösen. Doch in den USA tobt seit Jahrzehnten ein erbitterter Polit-Streit um die Abtreibungsgesetzgebung, der mit harten Bandagen ausgetragen wird – denn kaum ein Thema eignet sich so sehr, um die eigene Wählerbasis zu emotionalisieren und zu mobilisieren. Jüngster Fall: Texas.

Gouverneur Greg Abbott und die republikanische Mehrheit beschlossen eine massive Gesetzesverschärfung, die Abtreibungen fast unmöglich macht. Sie verbietet Abtreibungen ab der sechsten Woche, dann nämlich, wenn ein Herzschlag zu hören ist. Auch nach Vergewaltigungen oder sexuellen Übergriffen in der eigenen Familie. Gegnerinnen des Gesetzes argumentieren, dass Frauen in der sechsten Woche meist noch gar nicht wüssten, dass sie schwanger sind - und das Gesetz deshalb praktisch einem generellen Verbot gleichkomme. In Österreich und Deutschland gilt die „Fristenlösung“, die Schwangerschaftsabbrüche innerhalb der ersten drei Monate und nach ärztlicher Beratung ermöglicht.

"Kopfgeld-Jäger"

Für scharfe Kritik sorgt in den USA aber auch, dass der Gesetzesvollzug nicht bei den Behörden, sondern bei den Bürgern liegt: Sie sind aufgefordert, Ärzte und Ärztinnen, ja sogar Taxifahrer, die eine Schwangere zu einer Abtreibungsklinik führen, anzuzeigen – wegen Beihilfe zur Abtreibung. Für den Tippgeber gibt es im Falle einer Verurteilung eine finanzielle Belohnung von rund 10.000 Dollar – Kritiker sprechen von „Abtreibungskopfgeld-Jägern“.



Auch andere Bundesstaaten mit republikanischer Mehrheit verschärfen gerade ihr Abtreibungsrecht. Dass dies gerade jetzt erfolgt, ist kein Zufall: Unter Donald Trump waren mehrere Richter am Obersten Gerichtshof neu ernannt worden – in dem neunköpfigen Gremium sind seitdem Richter und Richterinnen in der Mehrheit, die als konservativ gelten oder von konservativen Präsidenten ernannt wurden. In republikanischen Kreisen hofft man nun, ein Gerichtsurteil kippen zu können, das seit fast 50 Jahren Bestand hat: das sogenannte „Roe versus Wade“-Urteil, das Frauen in den USA das Recht auf ihre eigene Entscheidung über eine Abtreibung zuspricht.

Darin entschied der Oberste Gerichtshof 1973, dass staatliche Gesetze, die Abtreibungen verbieten, gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten verstoßen.

Hollywood-Stars gegen neues Gesetz

Mehrere Frauenrechtsorganisationen und Kliniken haben den Supreme Court deshalb aufgefordert, das texanische Gesetz per Eilentscheid zu stoppen. Der Oberste Gerichtshof lehnte den Antrag aber ab - mit einer knappen Mehrheit von fünf zu vier. Präsident Joe Biden erklärte, er stehe zum "Roe-versus-Wade"-Urteil. Dutzende Hollywood-Stars und Künstler, darunter die Oscar-Preisträgerinnen Reese Witherspoon (45) und Rita Moreno (89), kritisierten die Regelung in Texas. "Ich stehe hinter den Frauen von Texas, die verfassungsmäßig das Recht haben, über ihre Gesundheit und ihren Körper zu entscheiden", schrieb Witherspoon am Donnerstag auf Twitter. 

Im Herbst wird sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage befassen, ob die neuen Abtreibungsgesetze im Bundesstaat Mississippi verfassungskonform sind; weitere Urteile könnte folgen. Dass die Richter nun das Gesetz in Texas nicht gestoppt haben, sehen viele bereits als Signal, dass nun das Abtreibungsrecht in den USA generell in Wanken kommen könnte.