Beim ersten bilateralen Besuch seit 2009 in Wien haben sich Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow bemüht, Gemeinsamkeiten in den österreichisch-russischen Beziehungen zu betonen. Differenzen und Meinungsverschiedenheiten, insbesondere hinsichtlich der Krim sowie im Fall des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny wurden jedoch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Mittwoch in Wien deutlich sichtbar.
Russland und Österreich verbinde eine "lange, wechselhafte Geschichte", die Beziehungen seien historisch gewachsen, vor allem aber in letzter Zeit "immer wieder massiven Stresstests" ausgesetzt, sagte Schallenberg. Man werde jedoch weiter die westlichen Werte verteidigen, forderte der Außenminister etwa erneut die "sofortige und bedingungslose" Freilassung Nawalnys, dessen Verurteilung er als "nicht akzeptabel" bezeichnete. Auch für die territoriale Integrität der Krim, die Russland 2014 annektierte, werde man weiterhin eintreten, versicherte Schallenberg.
Emotional reagierte der russische Außenminister auf Schallenbergs Teilnahme an der "Krim-Plattform" am Montag. Im Unterschied zu seiner Kranzniederlegung am Schwarzenbergplatz sei das in Kiew "keine echte Veranstaltung" gewesen. Er sprach von falsch verstandener Solidarität mit der Ukraine und startete eine Tirade gegen das "unverständliche Regime" in Kiew. Gleichzeitig beklagte sich der russische Außenminister, dass Bewohner der Krim keinen Schengen-Visa erhielten und derart für ihre politische Position bestraft würden.
Auch versuchte Lawrow Schallenberg, den er gegen Ende der Pressekonferenz beim Vornamen nannte, auf die de facto von Russland kontrollierte Halbinsel einzuladen. Der österreichische Außenminister lehnte freundlich ab. "Unsere Position zur illegalen Annexion der Krim ist weder neu noch überraschend. Sie ist felsenfest und das wissen auch unsere russischen Partner", sagte Schallenberg, der sein russisches Gegenüber duzte.
Lawrow wiederholte in seinen Antworten größtenteils bekannte Positionen. Auf die Frage der APA, ob es seitens von Russland Garantien gäbe, dass russische Teilnehmer am "Sotschi-Dialog" für von österreichischer Seite finanzierte Aktivitäten nicht ebenso zu "ausländische Agenten" erklärt würden, erzählte der russische Außenminister lange über eine repressive Gesetzgebung in den USA. Betroffen seien nur Bürger, dies sich politisch engagieren, betonte er. Dass Letzteres in der russischen Praxis zuletzt äußerst breit interpretiert worden und deshalb auch Künstler und Journalisten stigmatisiert wurden, verschwieg er. Schallenberg betonte seinerseits, dass Österreich an einem möglichst breiten Dialog der Zivilgesellschaften interessiert sei. Ihm sei bisher kein Beispiel bekannt, dass Personen im Zusammenhang mit dem "Sotschi-Dialog" durch diese Maßnahmen des russischen Staates betroffen wären.
Es schmerze Österreich als "stolzes Mitglied der EU" aber besonders, dass die Beziehungen zwischen Brüssel und Moskau derzeit einen Tiefpunkt erlebten. Doch auch, wenn sich die beiden Länder "oftmals auf anderen Seiten des Flusses" befänden, so sei die "Brücke zwischen uns noch nicht abgebrochen", betonte Schallenberg. Russland bleibe ein wichtiger Nachbar - und Dialog sei immer besser als streiten.
Schallenberg und Lawrow wollten die Gespräche auch am Nachmittag fortsetzen. Geplant sind unter anderem Treffen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Am Nachmittag nahm Lawrow auch an einem Treffen mit Vertretern des zivilgesellschaftlichen "Sotschi-Dialogs" zwischen Österreich und Russland in der russischen Botschaft in Wien teil. Laut russischem Außenministerium ist zudem ein Besuch am Wiener Hauptsitz der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA/IAEO) geplant.
Lawrow hält sich im Rahmen einer kleinen Europatour in Österreich auf. Neben Wien reist Lawrow auch nach Budapest und Rom. Für die Drei-Städte-Tour unterbricht er seinen Wahlkampf in Russland.