Der Abzug der USA aus Afghanistan, der bis Ende August abgeschlossen sein soll, versetzt nicht nur alle Nachbarstaaten, sondern auch Zentralasien und Russland in Alarmbereitschaft. Der Bürgerkrieg tobt und die Gefahr eines Überschwappens auf Zentralasien ist nicht auszuschließen. Hinzu kommt, dass diese fünf Staaten – Kasachstan, Kirgisistan sowie die unmittelbaren Anrainer Turkmenistan, Tadjikistan und Usbekistan Staaten sind, in denen der muslimische Anteil der Bevölkerung bei 70 bis 98 Prozent liegt. Daher ist es auch kein Zufall, dass gerade jetzt in Tadjikistan im Grenzgebiet zu Afghanistan ein Militärmanöver stattfindet. 2500 Soldaten sind im Einsatz; die große Mehrheit stellen russische Truppen, die gemeinsam mit tadjikischen und usbekischen Einheiten üben, wie ein Übergreifen von Konflikten aus Afghanistan abgewehrt werden kann.

Russland mit seinen leidgeprüften militärischen Erfahrungen aus sowjetischer Zeit sieht den Abzug der USA mit gemischten Gefühlen. Einerseits kann sich das Machtvakuum in Afghanistan negativ auf die eigene Sicherheitslage auswirken; anderseits kann eine Bedrohung der Stabilität in Zentralasien den russischen Einfluss in diesen fünf Ländern wieder stärken, die außerordentlich reich an Rohstoffen wie Gas und Öl sind, um nur zwei Beispiele zu nennen.   Bis zum Zerfall der Sowjetunion vor 30 Jahren galten sie als unbestrittener Hinterhof Russlands. Doch nun ringen auch die USA, die Türkei, Indien, Pakistan, der Iran und insbesondere China um massiven Einfluss in dieser Region, wobei Peking mit großem finanziellem Aufwand das Projekt einer neuen Seidenstraße betreibt, um chinesische Waren auch über dem Landweg rasch nach Europa transportieren zu können. 

Doch nun sind auch die Länder Zentralasiens bemüht, durch eine intensivere Zusammenarbeit eine eigenständigere Rolle spielen zu können, eine Initiative, die vor allem von Usbekistan ausgeht. Usbekistan ist das Herzstück Zentralasiens, weil es als einziges Land an alle anderen vier Länder dieser Region grenzt.

Jahrzehntelang abgeschottet

Fast 25 Jahre lang schottete sich Usbekistan von der Außenwelt ab; das änderte sich 2016 mit dem Amtsantritt von Präsident Shavkat Mirsieew; er öffnete das Land, und das machte sich auch finanziell bezahlt, wie etwa die Tourismuszahlen zeigen; sie stiegen binnen fünf Jahren von knapp einer Million auf fast sieben Millionen. Tourismus und Infrastruktur waren auch Themen einer internationalen Konferenz, die in Taschkent jüngst der Zusammenarbeit zwischen Zentralasien und Südostasien gewidmet war. Denn Shavkat Mirsieew will die regionale Zusammenarbeit massiv ausbauen, vom Kampf gegen den Drogenschmuggel über den Umweltschutz bis hin zur Infrastruktur.

Für eine Zusammenarbeit sprechen gemeinsame Herausforderungen wie der Bürgerkrieg in Afghanistan, der islamische Fundamentalismus sowie die Strom- und Wasserversorgung, die in der Region ungleichmäßig verteilt ist; das Symbol dafür ist die Umweltkatastrophe des Aralsees, der von völliger Austrocknung bedroht ist.

Doch das Wasser ist auch ein Streitpunkt, der bereits zu einem Grenzkonflikt zwischen Kirgisistan und Tadjikistan führte. Erschwert wird eine gemeinsame Politik durch einander widersprechende geopolitische Interessen großer Spieler in der Region. In welchem Ausmaß die Pläne des usbekischen Präsidenten daher umsetzbar sind, ist offen, doch eine stärkere Zusammenarbeit kann der Region nur gut tun.