Die Türkei kämpft nach Angaben von Präsident Recep Tayyip Erdogan gegen die schlimmsten Waldbrände ihrer Geschichte. Das erklärte das Staatsoberhaupt am Mittwochabend in einem TV-Interview. In den Waldbrandgebieten in der Türkei haben die Flammen ein Kohlekraftwerk erfasst. "Die Flammen sind auf das Gelände des Kraftwerks übergesprungen", twitterte am Mittwochabend der Bürgermeister von Milas, Muhammet Tokat.
Das Kraftwerk nahe der Westküste der Türkei sei vollständig geräumt worden. In der Türkei wüten bei großer Hitze und starken Winden seit Tagen verheerende Brände, auch in Griechenland und Italien sind ganze Landstriche verkohlt.
Acht Todesopfer
In der Türkei kam für acht Menschen jede Hilfe zu spät. Derart große Brände habe es in der Türkei seit mehr als zehn Jahren nicht gegeben, sagte Doganay Tolunay, Forstingenieur an der Istanbul-Universität. 2008 habe es zuletzt Feuer ähnlicher Ausmaße gegeben. Das türkische Forstamt teilte am Mittwoch mit, acht Brände seien weiterhin nicht unter Kontrolle.
Die Feuer wüten seit Tagen an der bei Touristen beliebten Mittelmeerküste. Besonders betroffen sind die Regionen Antalya und Mugla. Etliche Menschen mussten vor den Bränden fliehen. In türkischen Fernsehsendern erzählten Betroffene von ihrer Flucht vor den Flammen. Landwirte der Region berichteten, sie hätten teilweise ihr Vieh dem Feuer überlassen müssen und all ihr Hab und Gut verloren.
Politische Debatte
In der Türkei befeuern die Brände auch die politische Debatte. Von Beginn an wurde besonders in den sozialen Medien Kritik an der Ausstattung der Einsatzkräfte laut. Zu wenige Löschflugzeuge, zu wenig Vorbereitung auf derartige Krisen. Laut dem türkischen Luftfahrtverband verfügt die Türkei über drei Löschflugzeuge und 17 Helikopter. Zum Vergleich: Griechenland verfügt über mehr als 40 Löschflugzeuge und 25 Hubschrauber.
Athen unter Rauchglocke
Die Feuerwehr in Griechenland spricht von einem Teufelskreis: Der Wind in der Brandregion im Norden Athens ließ am Mittwoch nach, so dass das Feuer eingedämmt werden konnte. Dafür steckt die Stadt jetzt unter einer gewaltigen Rauchglocke, die sich mangels Wind nicht verflüchtigt.
Helfen würden nur frische Böen, doch die könnten das Feuer neu entflammen. Die vorläufige Ruhe ist momentan also nur das: vorläufig. Mehr als 80 Häuser in der Region sind den Flammen bisher zum Opfer gefallen, seit der Brand am Dienstag seinen Lauf nahm. Einwohner hatten in Panik die betroffenen Gebiete verlassen. "Hinter uns ist die Hölle", rief ein Einwohner aus seinem Auto heraus Reportern zu.
"Albtraumbrand"
Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis sprach bei einem Besuch in der Region am Mittwoch von einem "Alptraumbrand". Gleichzeitig herrscht große Erleichterung, weil der Brand nach jetzigem Stand keine Menschenleben gefordert hat. Die Bewohner der evakuierten Orte wurden vorerst auf Staatskosten in Hotels untergebracht, Mitsotakis versprach den Wiederaufbau der Häuser.
Feuer gab es auch auf der Halbinsel Peloponnes und den Urlaubsinseln Rhodos und Kos sowie auf der Insel Euböa. Insgesamt kämpfte die Feuerwehr in Griechenland gegen 40 größere Brände, wie der Zivilschutz am Dienstagabend mitgeteilt hatte. Landesweit sind ersten Schätzungen zufolge Hunderte Häuser verbrannt oder beschädigt worden.
Ein neuer Waldbrand in Griechenland gefährdete das Dorf Olympia auf der Halbinsel Peloponnes. Der griechische Zivilschutz ordnete am Mittwochnachmittag per SMS an die Einwohner an, den Ort zu verlassen. In unmittelbarer Nähe befindet sich die berühmte antike Stätte Olympia, bei der vor den Spielen stets das Olympische Feuer entzündet wird.
"Wir haben eine Verteidigungslinie rund um die antike Stätte und das Dorf gebildet", sagte der Gouverneur der Region Nektarios Farmakis im Staatsfernsehen. Reporter berichteten, das eigene Löschsystem der antiken Stätte sei aktiviert worden. Wasserkanonen besprühen alles um und in Olympia. Kulturministerin Lina Mendoni sei auf dem Weg von Athen nach Olympia. "Wir haben all unsere Einsatzkräfte nach Olympia geschickt, um Menschenleben und unsere antike Tradition zu retten", sagte der Bürgermeister von Pyrgos dem griechischen Sender Open.
530 Waldbrandeinsätze in Italien
Auch in Italien kämpfte die Feuerwehr weiter gegen Flammen. Die Einsatzkräfte sprachen von landesweit 530 Waldbrandeinsätzen am Dienstag. Mehr als die Hälfte davon gab es in Sizilien, Kalabrien und Apulien. Die Flammen loderten an Ständen, Ferienorten, in Wäldern und um Wohngebiete. Die Zivilschutzbehörde stufte die gesamte Insel Sizilien in die höchste Brandrisikostufe ein. Zudem sagte sie für Palermo und Catania Hitzewellen mit Temperaturen um 40 Grad Celsius voraus.
"Die Wälder in der Mittelmeerregion werden von einer neuen Generation von Bränden heimgesucht", hieß es in einer Mitteilung des WWF. Die Umweltorganisation befürchtet, "dass im gesamten Mittelmeerraum in diesem Jahr erneut mehr als eine halbe Million Hektar Wald in Flammen aufgehen werden".
Hitzewelle mit Extremtemperaturen
Die Türkei und Griechenland erfasst seit Tagen eine Hitzewelle mit Extremtemperaturen. Es herrschen teilweise über 40 Grad, "die Böden trocknen aus, es ist lang kein Niederschlag gefallen", sagte Andreas Friedrich, Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD).
Auslöser für die Brände kann es viele geben. In Italien etwa haben Polizisten zwei Brandstifter auf Sizilien festgenommen. Die Carabinieri hätten die beiden Männer im Alter von 80 und 25 Jahren am Montag auf frischer Tat in der zentralen Provinz Enna ertappt, hieß es in einer Mitteilung. Demnach waren sie dabei, einen Brand im Gebiet des Gebirges Monti Nebrodi zu legen, einem bekannten Naturareal Siziliens, das teils unter Naturschutz steht.
Stromverbrauch steigt
Mit der großen Hitze steigt in den Ländern auch der Stromverbrauch. Das griechische Energieministerium rief alle Bürger auf, die Klimaanlagen nicht auf ganz niedrige Temperaturen zu stellen. In der Türkei fiel am Montag bereits in zahlreichen Orten des Landes der Strom aus, Grund sei der mit der Hitze stark gestiegene Verbrauch, hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums für Energie und natürliche Ressourcen.
Niederschlag nicht in Sicht
Niederschlag sei auch bis Ende der kommenden Woche in allen drei Ländern nicht in Sicht, hieß es vom DWD. Für die nächsten zehn Tage halte das trocken-heiße Wetter an. Die Brandgefahr werde angesichts der Dürre auch nach dem Ende dieser Hitzewelle enorm sein, warnten Meteorologen: Wenn Winde einsetzten, könne es zu verheerenden Feuern kommen.