In Norwegen ist am Donnerstag der Opfer der Anschläge des Rechtsextremisten Anders Behring Breivik in Oslo und Utöya vor zehn Jahren gedacht worden. "Wir dürfen den Hass nicht unbeantwortet lassen", sagte Regierungschefin Erna Solberg bei einer Gedenkveranstaltung vor Überlebenden sowie Angehörigen der Opfer in Oslo. Seit den Anschlägen sei viel unternommen worden, um den Kampf der Sicherheitsbehörden gegen jede Form von Extremismus zu stärken.
Am wichtigsten sei aber, dass jeder und jede Einzelne ein inneres "Bollwerk gegen Intoleranz und Hassrede" aufbaue, sagte Solberg. Um 12.00 Uhr sollten in Norwegen im Gedenken an die Opfer der Anschläge landesweit die Glocken läuten. Zudem ist eine Messe in der Kathedrale von Oslo und eine weitere Gedenkzeremonie auf der Insel Utöya geplant. Bei einer nationalen Gedenkveranstaltung am Abend wollte König Harald V. eine Ansprache halten.
Die Utøya-Überlebende und Vorsitzende der Jugendorganisation der Arbeiterpartei, Astrid W. E. Hoem, ging in ihrer Rede auf die Bedeutung des Kampfes gegen Hassbotschaften und Rassismus ein. Nicht alle hasserfüllten Worte führten zu Terror, aber jeglicher Terror habe mit hasserfüllten Worten begonnen, sagte sie. Zehn Jahre nach den Anschlägen müsse man sich ehrlich eingestehen, dass der Hass nicht gestoppt worden sei. "Wir müssen jetzt ein für alle Mal sagen, dass wir Rassismus und Hass nicht akzeptieren", sagte sie. "Wenn wir das jetzt tun, können wir es vielleicht schaffen, das Versprechen "Nie wieder 22. Juli" einzuhalten."
Der frühere norwegische Regierungschef Jens Stoltenberg wies bei einem Gedenkgottesdienst im Dom von Oslo auf den unverminderten Kampf für Werte einer offenen Gesellschaft hin. "Vor zehn Jahren begegneten wir Hass mit Liebe. Aber Hass gibt es noch immer", sagte der heutige NATO-Generalsekretär. Er erinnerte an andere aus rassistischen und rechtsextremistischen Motiven begangene Taten in Norwegen, aber auch an Terrorangriffe in Brüssel, Paris, New York, Kabul, Bagdad, Christchurch und anderen Orten auf der Welt. "Wieder und wieder werden wir daran erinnert, dass Demokratie nicht ein für alle Mal gewonnen wird. Wir müssen jeden einzelnen Tag für sie kämpfen", sagte er. "Die Terroristen können sich dazu entschließen, Leben zu nehmen, aber wir bestimmen, dass sie uns die Demokratie, unsere freie und offene Gesellschaft, nicht nehmen dürfen."
Anschläge in Oslo und Utøya
Breivik hatte vor zehn Jahren zunächst eine in einem weißen Transporter versteckte Bombe im Regierungsviertel gezündet und dabei acht Menschen getötet. Daraufhin fuhr er auf die Insel Utøya, wo er sich als Polizist ausgab und das Feuer auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des jährlichen Sommerlagers der Jugendorganisation der sozialdemokratischen Arbeiterpartei eröffnete. 69 vor allem junge Menschen kamen auf der Insel ums Leben. Breivik wurde 2012 zur Höchststrafe von 21 Jahren Sicherheitsverwahrung mit einer Mindestdauer von zehn Jahren verurteilt.
In Österreich gedachten SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch der Opfer der Attentate in Norwegen: "Zehn Jahre danach ist die Erschütterung über den Tod so vieler Menschen ungemindert. Die Anschläge verpflichten uns, gegenüber antidemokratischen und rechtsextremen Entwicklungen noch wachsamer zu sein. Es ist wichtig, den Anfängen zu wehren!", so Rendi-Wagner und Deutsch in einer Aussendung. Aufgabe der Politik sei es, gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung vorzugehen.
Wie groß das Gefahrenpotenzial auch in Österreich sei, würden die Hausdurchsuchungen und das Auffinden mehrerer Waffenlager in der rechtsextremen Szene in den vergangenen eineinhalb Jahren zeigen. "Wir dürfen uns vor solchen Entwicklungen nicht in Sicherheit wähnen, sondern müssen sie genau beobachten und gezielt dagegen vorgehen", mahnte Rendi-Wagner. Sie forderte in diesem Zusammenhang, dass "der von ÖVP und FPÖ abgeschaffte" Rechtsextremismusbericht "endlich wieder eingeführt" werde.
"Seit mehreren Jahren gibt es in Österreich eine hohe Anzahl von rechtsextremen und antisemitischen Straftaten. Die türkis-grüne Regierung muss hier endlich tätig werden", forderte Deutsch, den Bekenntnissen im Regierungsprogramm zur Einführung von Aktionsplänen gegen Extremismus Taten folgen zu lassen.
"Erinnerung und Mahnung zugleich"
SPÖ-Kinder- und Jugendsprecherin im Nationalrat, Eva-Maria Holzleitner, sprach den Familien, die bei den Anschlägen vor zehn Jahren ihre Angehörigen verloren haben, ihr Mitgefühl aus. "Bis heute macht diese schreckliche Tat traurig, wütend und fassungslos", so Holzleitner in einer Aussendung: "Rechtsextremismus darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben."
"Dieses Gedenken ist uns Erinnerung und Mahnung zugleich. Die Lehren aus Utoya zu ziehen bedeutet, auch im Jahr 2021 kompromisslos gegen Rechtsextremismus und rechte Tendenzen aufzustehen", so Paul Stich, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich, in einer Aussendung. Die Sozialistische Jugend versammelte sich demnach am Donnerstag vor der Norwegischen Botschaft in Wien zu einem Gedenkfoto mit dem Norwegischen Botschaftsrat.