"Liebe Landsleute, ich bringe ein offenes Herz für jeden Einzelnen von euch mit", sagte Pedro Castillo in seiner ersten Rede vom Balkon seiner Parteizentrale in Lima vor Hunderten Anhängern. "Nie mehr arm in einem reichen Land" lautete der Wahlkampfslogan des 51-Jährigen: Pedro Castillo wurde nun offiziell zum neuen Präsidenten des Landes erklärt. Der Bewerber der marxistisch-leninistischen Partei Perú Libre kam auf 50,12 Prozent der Stimmen, wie das Wahlgericht mitteilte. Die Rechtspopulistin Keiko Fujimori erhielt in der extrem knappen zweiten Runde der Wahlen demnach 49,87 Prozent. Sechs Wochen nach der Wahl hat das Wahlgericht den Linkskandidaten Castillo zum Sieger erklärt. Die Rechtspopulistin Keiko Fujimori hatte mehrfach Beschwerde eingelegt.
Mehr als zwei Millionen Infizierte und 180.000 Tote machen Peru zu einem der von Corona am härtesten getroffenen Länder der Welt. Und auch die Wirtschaft liegt am Boden und brach im Vorjahr um elf Prozent ein. Die offizielle Arbeitslosenzahl liegt bei rund 14 Prozent. Politisch ist das Land ohnehin stets am Rande einer neuen Explosion.
Das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik ist nachhaltig erschüttert: Gegen fast die Hälfte der Parlamentarier wird wegen verschiedener Vergehen ermittelt, zu Beginn der Impfkampagne sollen sich zudem 500 Politiker, Funktionäre und Beamte vorgedrängt haben. Weniger als die Hälfte der Peruaner halten die Demokratie für die beste Regierungsform.
Lehrer, Gewerkschafter, Streikführer
Pedro Castillo, der ehemalige Lehrer, Gewerkschafter und Streikführer will nun einen sozialistischen Staat aufbauen, die Medien stärker kontrollieren, die Gasindustrie verstaatlichen und das Verfassungsgericht abschaffen. Die Börsen brachen nach den ersten Hinweisen auf den Sieg des Linkskandidaten ein. Die wirtschaftlichen Berater des gewählten Präsidenten bemühten sich, schnell zu versichern, Castillo habe mehr mit Brasiliens sozialdemokratischem Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva gemein als mit Venezuelas sozialistischem Ex-Staatschef Hugo Chávez.
"Katastrophe für Peru"
Der peruanische Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa spricht von einer "Katastrophe" für Peru. Schon vor der Stichwahl um das Präsidentenamt in Peru hatte er sich für die Rechtspopulistin Keiko Fujimori ausgesprochen, denn sie sei "das kleinere Übel", schrieb Vargas Llosa in einer Kolumne, die in mehreren spanischen und lateinamerikanischen Zeitungen, so auch in "El País", erschienen war.
Kardinal Pedro Barreto rief inzwischen zur Einheit im Land auf. "Wir stecken inmitten einer schweren demokratischen Krise", sagte der Jesuit und Erzbischof von Huancayo der Zeitung "La Republica". Peru sei an einen Punkt gelangt, von dem sich niemand habe vorstellen können, dass es so weit kommen könnte. Dennoch fordert er, den Blick nach vorn zu richten und die entscheidenden Fragen zu stellen: "Werden wir aus der wirtschaftlichen, politischen, gesundheitlichen und Arbeitsmarkt-Krise herauskommen?" Und der Kardinal zitiert seinen Ordensbruder Papst Franziskus: "Aus einer Krise kommt man entweder gestärkt oder geschwächt heraus."