Am Sonntag kommt Angela Merkel ins Flutgebiet an der Ahr und zeigt sich erschüttert. „Die deutsche Sprache kennt kaum ein Wort für die Verwüstung, die hier angerichtet ist“, sagt die Bundeskanzlerin in Adenau und spricht von „gespentischen Bildern“. Neben ihr steht die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und nickt.

Merkel besucht nach der Rückkehr von ihrer Reise in die USA zu gleich die Region Ahrweiler. Allein dort sind in den Flutwellen 112 Menschen ums Leben gekommen, bundesweit sind es mehr als 150. In der Nacht zu Sonntag trifft die Starkregenfront die Sächsische Schweiz und Bayern.

Ein Ort in Deutschland ist aber zum Synonym der Unwetterserie geworden: Schuld, ein kleiner Ort an der Ahr. Sechs Häuser sind hier von den Fluten mitgespült worden, viele weitere unbewohnbar. Die Kanzlerin hakt die an MS-erkrankte Malu Dreyer unter und macht sich selbst ein Bild von der Lage. Es gehe darum, schnell zu handeln, aber mit langem Atem, so Merkel.

Jeder hilft in der Not plötzlich jedem

Ein bisschen weiter sind sie in Schuld schon gekommen. Die Menschen, die weiter oben am Hang der Ahr wohnen, haben Schaufeln und Scheibtruhen gepackt und sind nach unten in den Ortskern am Fluss. Jeder hilft jedem in Schuld. Auch von auswärts sind sie gekommen, aus der nahen Eifel oder auch von weiter her. Keller und Wohnungen werden gemeinsam ausgeräumt, der Schlamm vom Hof gefegt. Plötzlich hätten wildfremde Menschen dagestanden und mit angepackt, erzählt eine Dorfbewohnerin im Rundfunk.

So wie in Schuld ist es an vielen Orten in der Unwetterregion. Nicht nur Technisches Hilfswerk und Feuerwehren sind zu den Aufräumarbeiten angerückt. Sondern auch viele Freiwillige. Deutschland erlebt eine Welle der Solidarität. Hotels in der Eifel stellen kostenlos Zimmer für Helfer zur Verfügung, auf Facebook bieten Privatleute ihre Hilfe an. Am Nürburgring, der Rennstrecke in der Eifel, müssen selbst die Helfer kapitulieren. Tagelang haben Spender dort Kleidung, Spielsachen und das Nötigste für Betroffene der Flutwelle abgeben. Am Sonntag herrscht Aufnahmestopp und ein neuer Hilferuf geht raus: Erstmal werden jetzt Menschen gebraucht, die das Gespendete sortieren.

Erstmals rückt auch der Osten zur Hilfe an

Merkel dankt am Sonntag den vielen Ehrenamtlichen. Deutschland rückt zusammen. 1997 bei der Oder-Flut an der Grenze zu Polen stand sich das neu vereinigte Land noch etwas fremd gegenüber, stetig wurde vermerkt, ob Helfer jetzt aus dem Osten oder dem Westen kamen. 2002 beim Hochwasser an der Elbe war das schon anders, da packte Deutschland gemeinsam an, ob Ost oder West spielte keine Rolle. Nun rückt erstmals auch der Osten zur Hilfe an. Im sächsischen Grimma hatte die Flut 2002 besonders gewütet. Die Leute bräuchten Cash, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder damals schnell die Lage erkannt. Nun ruft die Gemeinde Grimma auf zu spenden und schickt Helfer in den Westen. Deutschland, einig Helferland.

Noch gibt es nur vorsichtige Schätzungen. Aber die Schäden gehen in die Milliarden. Bundeskanzlerin Merkel sagt am Sonntag schnelle Hilfe zu.

„Wir stehen an ihrer Seite, Bund und Land“, verspricht sie. Nach ihr spricht Helmut Lussi, der Bürgermeister von Schuld. „Diese Flut wird bei den Menschen in Schuld Narben hinterlassen“, sagt Lussi und ringt mit den Tränen, „Narben, die man nicht vergisst.“ Trotz aller Hilfe, die Wunden bleiben. Es wird an Ahr, Erft und Sieg nicht mehr so wie es war.

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