Es war eine Überraschung. Acht Minuten vor Mitternacht flatterte am Sonntagabend die Mitteilung des Pressebüros des Heiligen Stuhls per E-Mail ein. Papst Franziskus habe sich am Sonntagabend einer Dickdarm-Operation unterzogen. Der Eingriff sei geplant gewesen, am Nachmittag hatte der Vatikan bereits auf den Eingriff hingewiesen. Am Montag um 12 Uhr mittags lieferte Pressesprecher Matteo Bruni dann im offiziellen Bulletin das Ergebnis des Eingriffs. „Seine Heiligkeit Papst Franziskus ist in allgemeinem guten Zustand, wach und atmet selbstständig.“ Drei Stunden habe der Eingriff gedauert. Wenn es keine Komplikationen gebe, werde der Papst das römische Gemelli-Krankenhaus in einer Woche verlassen.
Eingriff unter Vollnarkose
Die Kommunikation des Heiligen Stuhls deutete darauf hin, dass es sich nicht um einen leichten Eingriff handelte. Franziskus wurde die linke Hälfte des Dickdarms entfernt. In der Mitteilung vom Sonntag war von einer „geplanten Operation“ wegen einer „symptomatischen Divertikelstenose“ die Rede. Es handelt sich dabei um eine Darmverengung, die operativ behandelt wird. Franziskus ist 84 Jahre alt. Ein operativer Eingriff mit Vollnarkose ist für Menschen in diesem Alter immer mit besonderen Risiken behaftet. Doch scheint bislang alles gut gegangen zu sein. Insgesamt zehn Ärzte, darunter Spezialisten sowie der Leibarzt des Papstes, waren an der Operation beteiligt.
Wann der Papst in den Vatikan zurückkehren wird, ist noch offen. Klar ist aber, dass ihn Unerfreuliches erwartet. Wie der Vatikan am Samstag bekannt gab, muss sich Kardinal Becciu, früher Substitut im Staatssekretariat des Vatikans und bis vergangenen September Präfekt der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen, vor dem Gericht des Heiligen Stuhls verantworten. Becciu, 73, ist unter anderem wegen Veruntreuung und Amtsmissbrauch angeklagt. Erstmals überhaupt muss sich ein Kardinal vor der Vatikanjustiz verantworten. Franziskus hat die Vorschriften kürzlich geändert. Prozessbeginn ist am 27. Juli.
"Räuberisch"
Zusammen mit Becciu sind neun weitere Personen angeklagt. Unter ihnen sind frühere enge Mitarbeiter Beccius aus dem Staatssekretariat, etwa sein Privatsekretär, italienische Finanzmanager, aber auch zwei frühere hohe Vatikanbürokraten. Verantworten müssen sich auch der Schweizer René Brülhart, früherer Chef der vatikanischen Finanzaufsichtsbehörde AIF sowie sein Nachfolger Tommaso Di Ruzza. Die Ermittler schreiben von einem „faulen, räuberischen und lukrativen System“ im Vatikan, wie die italienische Presse aus der Anklageschrift zitiert. Vorsitzender Richter in dem Laien-Tribunal ist Giuseppe Pignatone, ein bekannter ehemaliger Antimafia-Staatsanwalt. Das vatikanische Staatssekretariat, die Regierungszentrale des Vatikans, sieht sich als Geschädigter und tritt als Nebenkläger auf.
Spenden
Im Fokus steht Kardinal Becciu, der vom Papst im September zum Rücktritt gezwungen wurde und seine Rechte als Kardinal einbüßte, etwa die Teilnahme am Konklave. Den Titel trägt er weiter. Als Substitut im Staatssekretariat, bei dem intern alle Fäden zusammenlaufen, wachte Becciu zwischen 2011 und 2018 über die Fonds der Behörde und den Peterspfennig genannten Wohltätigkeitsfonds, der aus Spenden der Gläubigen besteht und für karitative Zwecke gedacht ist.
Der Anklage zufolge disponierten der Kardinal und seine Gehilfen willkürlich mit diesem Geld und verschwendeten es. Die Finanzaufsicht soll dubiose Deals möglich gemacht haben, statt die Ausschüttung der Mittel zu verhindern. Becciu hatte sich von mitangeklagten italienischen Geschäftemachern Millionen-Investitionen aufschwatzen lassen. So beteiligte sich der Vatikan am Kauf einer Luxus-Immobilie in London. Was als Geldanlage gedacht war, entpuppte sich als Desaster mit Millionen-Verlusten.
Ausschweifungen
Die Geschäfte waren bei einer Razzia im Staatssekretariat im Oktober aufgeflogen, ein Ex-Mitarbeiter Beccius gab den Ermittlern entsprechende Informationen. Zuvor hatte die Vatikanbank IOR Unregelmäßigkeiten beobachtet. Außerdem soll der Kardinal mindestens 225.000 Euro aus den Vatikankassen an eine von seinem Bruder geleitete Kooperative auf Sardinien abgezweigt haben, in der Bier produziert wird. Zudem nahm Becciu offenbar die Dienste von Cecilia Marogna in Anspruch, die im Auftrag des Kardinals Dossiers über Ausschweifungen im Privatleben einiger Prälaten erstellt haben will. Marogna bekam 575.000 Euro aus den Fonds, die freilich anders deklariert wurden.
Becciu beteuert seine Unschuld und sieht sich als Opfer einer Verschwörung. Papst Franziskus, der 2013 auch als Aufräumer wegen der grassierenden Korruption im Vatikan gewählt worden war, wurde in Folge des Becciu-Skandals tätig. Er entzog dem Staatssekretariat die Kontrolle der Privatfonds und übertrug sie an die vatikanische Güterverwaltung Apsa.