Die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen will erste Pflöcke für die Präsidentenwahl in neun Monaten einschlagen. Die Stimmung beim Parteitag des Rassemblement National (RN) in Perpignan ist jedoch gespannt. Denn die Rechtsaußenpartei erlebte bei den landesweiten Regionalwahlen ein Debakel. Bei dem Parteitreffen in Südfrankreich wurde die 52-jährige am Sonntag mit 98,35 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt, wie der Europaparlamentarier Jérôme Rivière mitteilte.
Gegenkandidaten gab es nicht. Die Parteianhänger hatten bereits vor dem Treffen per Briefwahl oder Internet abgestimmt, wie Medien berichteten.
Duell mit Macron
Le Pen steht bereits seit gut zehn Jahren an der Spitze der Partei, die früher Front National hieß. Medien zufolge will die gelernte Juristin vom Herbst an den Vorsitz vorübergehend ruhen lassen, um sich auf die Präsidentenwahl zu konzentrieren, die im Frühjahr geplant ist. 2017 hatte sie im Endduell der Wahl um das höchste Staatsamt gegen Emmanuel Macron verloren.
Die Partei wählte Perpignan unweit der Grenze zu Spanien, da der RN-Politiker Louis Aliot dort Bürgermeister ist. Zum Auftakt des Treffens protestierten am Samstag mehrere Hundert Menschen in den Straßen der Stadt, wie der Sender Franceinfo berichtete.
"Parteikongress des Zweifels"
Medien sprachen von einem "Parteikongress des Zweifels". Bei den Regionalwahlen vor einer Woche schaffte es die Rechtsaußenpartei nicht, eine Region als Machtbastion für die Präsidentenwahl zu gewinnen. Umfragen hatten der EU- und zuwanderungskritischen Partei große Chancen gegeben, zumindest in den südlichen Region Provence-Alpes-Côte-d'Azur mit dem relativ gemäßigten Kandidaten Thierry Mariani einen Machtwechsel zu erzwingen. Doch die Wahlbeteiligung blieb niedrig, viele Anhänger gingen nicht wählen.
Am Ende stand die Parteichefin, die den Kurs einer Entradikalisierung verficht, mit leeren Händen da. Ihr Vater, Front-National-Mitgründer Jean-Marie Le Pen, forderte nach der krachenden Niederlage unverhohlen, die Partei müsse ihre "Männlichkeit" wiederfinden und zu früheren Grundsätzen zurückkehren. Der 93-jährige Rechtsextreme ist allerdings nur noch Beobachter - er wurde schon vor Jahren aus der Partei gedrängt.
Parteisprecher Sébastien Chenu schloss bereits vor dem Treffen einen abrupten Kurswechsel aus. "Wir werden nicht die Strategie verfolgen, zur Front National von damals zurückzukehren", sagte er im Sender BFMTV. Der Gegner für 2022 ist auch schon ausgemacht: Amtsinhaber Macron, der noch nicht einmal erklärt hat, ob er wieder antreten will. Polarisierung - so lautet das Schlagwort im Rechtsaußenlager.
"Zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen gibt es kaum ein alternatives Modell", meinte Chenu. Der 43-jährige Macron stehe für Kontinuität oder Europa-Aufgeschlossenheit, Le Pen für den "Schutz der Interessen Frankreichs". Was Chenu nicht sagt: Die Regionalwahlen bestätigten, dass die traditionellen Lager der Sozialisten oder bürgerlichen Rechten immer noch da sind und sogar Wahlerfolge feiern. Auch sie suchen nach Siegen in der Provinz nach einer Strategie für den Kampf um den Élyséepalast im kommenden Jahr.
Kurz vor dem Parteitag machte Le Pen bekannt, dass sie sich mit europäischen Rechtspolitikern wie Lega-Chef Matteo Salvini aus Italien oder dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban verbündet habe. In der französischen Debatte helfen solche Ankündigungen aber in der Regel kaum weiter.
Die nächsten Monate dürften für Le Pen turbulent verlaufen, denn sie gerät außerhalb ihrer Partei unter Druck. Viele sind davon überzeugt, dass der Journalist und Autor Éric Zemmour, der unter anderem Kolumnen in der konservativen Tageszeitung "Le Figaro" publiziert, in die Schlacht um den Präsidentenjob einsteigt. In den Straßen von Paris waren in den zurückliegenden Tagen schon Plakate mit seinem Konterfei und der Aufschrift "Zemmour président" (Zemmour Präsident) zu sehen.