Aus westlicher Sicht sind die gesellschaftlichen Bedingungen in Saudi-Arabien oft schwer zu nachzuvollziehen. Aus Riad gibt es eine gute Nachricht für Frauen zu vermelden, die bei uns selbstverständlich ist: In Saudi-Arabien dürfen Frauen künftig auch alleine leben - sprich: ohne einen Mann. Dies ist der Änderung einer Verfahrensregel der Scharia-Gerichte zu verdanken. Erstmals wird alleinstehenden, geschiedenen und verwitweten Frauen erlaubt, allein zu leben, ohne dass sie dafür die Zustimmung ihres Wali, ihres männlichen Vormunds, brauchen. Wörtlich heißt es dort nun, dass "eine erwachsene Frau das Recht hat, sich ihren Wohnsitz auszusuchen."
Von Bedeutung ist das nicht nur für Geschiedene oder Witwen, sondern auch für junge, noch unverheiratete Frauen: Familien können volljährige Töchter künftig nicht mehr anzeigen, wenn sie aus dem Haus der Familie ausziehen und ihren eigenen Haushalt gründen möchten.
Tatsächlich hat unter dem sehr umstrittenen Kronprinzen Mohammed Bin-Salman, der wegen des Khashoggi-Mordes und des Kriegs im Jemen international in der Kritik steht, eine vorsichtige gesellschaftliche Öffnung in dem erzkonservativen Königkreich eingesetzt. Es ist nur wenige Jahre her, da durften Frauen in Saudi-Arabien nicht Auto fahren, es gab keine Kinos, keine Konzerte, keine Individualtouristen, keine gemischten Restaurants für unverheiratete Frauen und Männer. Diese Änderungen hat er Kronprinz angeschoben.
Dennoch kann von Freiheit und Selbstbestimmung noch lange keine Rede sein. Frauen, die sich gegen ihren Zustand der rechtlichen Unmündigkeit in Saudi-Arabien wehren, landen meist im Gefängnis. Prominentestes Beispiel dafür ist die saudische Frauenrechtsaktivistin Lujain al-Hathloul. Al-Hathloul wurde wegen ihres Engagements für ein Ende des Fahrverbots für Frauen im Mai 2018 festgenommen. Kurz danach wurde das Fahrverbot gekippt. Die 31-Jährige wurde zu einer Bewährungsstrafe von drei Jahren und einem fünfjährigen Reiseverbot verurteilt.
Zum Schweigen gebracht
Im Februar dieses Jahres wurde sie auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen - nach 1.000 Tagen Haft. Nach Angaben ihrer Familie soll sie in der Zeit auch gefoltert worden sein. Die Regierung bestreitet dies. Beobachter sehen die Freilassung als Versuch des saudischen Königshauses, nach der Amtsübernahme Joe Bidens in Washington Spannungen mit der neuen US-Regierung zu verringern. Biden hatte Al-Hathloul eine starke Kämpferin für Frauenrechte genannt.
Nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wird die Aktivistin wegen der Bewährungsstrafe "zum Schweigen gedrängt". Sie kann nach Angaben ihrer Unterstützer für jede als illegal empfundene Handlung wieder festgenommen werden.