Israel hat eine neue Regierung. Gestern Abend ist die Einheitsregierung unter dem neuen Premier Naftali Bennett von der Rechtspartei Jamina in der Knesset in Jerusalem angelobt worden. Mit 60 von 120 Stimmen wurde dem „Block des Wandels“ von den Parlamentariern das Vertrauen ausgesprochen. Damit ist die Amtszeit Benjamin Netanjahus vom Likud beendet, der Israel zwölf Jahre regiert hatte.
Während der Reden gab es Geschrei, Buhen und Pfiffe. Vor allem die Abgeordneten der rechtsextremen Partei „Religiöser Zionismus“ verursachten Chaos. Sie hielten Bilder von Terroropfern in die Höhe und beschuldigten die neue Regierung, „Terrorismus zu unterstützen und Wählerstimmen gestohlen zu haben“.
Der neue Premier Bennett dankte Netanjahu für seinen „Dienst an Israel“. Dann rief er zu Einheit auf. „Diese Regierung wird die gesamte Bevölkerung vertreten.“ Israel hatte zuvor in der tiefsten politischen Krise der Geschichte des Landes gesteckt. Vier Wahlen innerhalb von zwei Jahren brachten kein eindeutiges Ergebnis.
Die neue Koalition umfasst ein so breites Spektrum wie nie zuvor. Sie besteht aus acht Parteien, die von der Linkspartei Meretz bis zur rechten Jamina reichen. Yesh Atid ist die größte Fraktion mit 17 Sitzen. Strengreligiöse Parteien sind nicht beteiligt, stattdessen sitzt mit Raam seit Jahrzehnten zum ersten Mal wieder eine arabische Partei in einer Regierung in Jerusalem.
Premierposten wird rotieren
Der Premierposten geht in Rotation zuerst an Bennett, später an Yair Lapid, der jetzt als Außenminister fungiert. Das Verteidigungsressort bleibt in den Händen des Chefs der Zentrumspartei Blau-Weiß, Benny Gantz, Innenministerin ist Ayelet Shaked von Jamina, Avigdor Lieberman (Unser Haus Israel) übernimmt das Finanzministerium.
Der ausgehende Ministerpräsident Netanjahu machte in seiner letzten Rede als Regierungschef klar, er werde hoch erhobenen Hauptes in der Opposition sitzen. Bis zuletzt hatte er noch versucht, eine eigene Koalition auf die Beine zu stellen. Doch ohne Erfolg. Er wandte sich an „seine Freunde aus dem echten rechten Lager“ und versicherten ihnen, dass man diese „gefährliche Regierung stürzen und das Land wieder in die richtige Richtung lenken wird“.
Anschließend konzentrierte er sich hauptsächlich auf „die Bedrohungen durch den Iran“. Die US-Regierung unter Präsident Joe Biden werde zum Atomdeal zurückkehren und keine ernsthaften Aktionen gegen das Regime durchführen. Dann warnte er: „Im Teheran werden sie jetzt feiern, weil sie verstehen, dass es in Israel eine schwache Regierung gibt.“ Netanjahu ist drei Fällen wegen Korruption angeklagt. Derzeit wird ihm der Prozess in Jerusalem gemacht.
Lapid, der Initiator des sogenannten „Block des Wandels“, verzichtete wegen der extremen Störungen auf seine Rede und sagte knapp: „Ich möchte mich bei meiner Mutter entschuldigen. Ich hatte gehofft, dass sie stolz auf diesen demokratischen Prozess und den Regierungswechsel sein kann. Stattdessen schäme ich mich. Doch ihr zeigt allen damit, warum ihr ersetzt werden müsst“.
unserer Korrespondentin Sabine Brandes aus Tel Aviv