Mit einem umfangreichen Impfversprechen an ärmere Länder und gemeinsamen Klimazielen haben die führenden westlichen Industriestaaten bei ihrem G7-Gipfel neue Einigkeit demonstriert. Zum Abschluss ihres dreitägigen Treffens im südenglischen Cornwall verständigten sich die Staats- und Regierungschefs am Sonntag auch auf einen härteren Kurs gegenüber China. Experten kritisierten die Zusage von mindestens einer Milliarde Impfdosen bis Juni 2022 als zu vage und unzureichend.
Der "Gruppe der Sieben" gehören neben Gipfel-Gastgeber Großbritannien und den USA auch Deutschland, Frankreich, Italien, Japan und Kanada an. Für die Staatengruppe markierte der Gipfel im Urlaubsort Carbis Bay einen Neustart nach der Ära von US-Präsident Donald Trump, in der dessen Abschottungspolitik die Gruppe an den Rand der Spaltung brachte. Mit ihrem neuen Präsidenten Joe Biden wollen die USA nun wieder mit den anderen großen westlichen Demokratien an einem Strang ziehen.
Freude über Neustart mit den USA
Biden sprach am Sonntag von einem "außerordentlich kooperativen und produktiven Treffen". Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wertete den Neuanfang der G7 als gelungen. Zwar sei es nicht so, dass die Welt nun keine Probleme mehr habe, sagte Merkel: "Aber wir können mit neuem Elan an der Lösung dieser Probleme arbeiten."
Der zentrale Gipfelbeschluss ist das Versprechen, ärmere Länder im Kampf gegen die Corona-Pandemie stärker mit Impfstoff zu unterstützen als bisher. Über die genaue Zahl der Dosen gab es allerdings Verwirrung. Der britische Premierminister Boris Johnson sprach von mehr als einer Milliarde Dosen Impfstoff über Spenden und Zahlungen an das internationale Impfprogramm Covax bis Juni 2022. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte dagegen die Zahl 2,3 Milliarden bis Ende 2022.
Im Abschlusskommuniqué heißt es, dass es Zusagen über 870 Millionen Impfdosen gebe, die möglichst schnell und zur Hälfte bis Jahresende an die bedürftigsten Länder ausgeliefert werden sollen. Mit den direkten Spenden und den Finanzzusagen kommen laut der Erklärung seit Beginn der Pandemie mehr als zwei Milliarden Impfdosen der G7 für die Verteilung zusammen.
Entwicklungsorganisationen kritisierten das Impfversprechen der G7 als unzureichend. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt den Bedarf in ärmeren Ländern auf elf Milliarden Dosen.
Der Klimaschutz ist das Thema, bei dem es in der Ära Trump die größten Differenzen in der G7 gab. Die USA waren zwischenzeitlich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgestiegen, was Biden nun wieder rückgängig gemacht hat. In Carbis Bay konnten sich die Industriestaaten damit wieder zu gemeinsamen Grundsätzen bekennen: Verringerung des Ausstoßes von Kohlendioxid bis 2030 um etwa die Hälfte gegenüber 2010, Klimaneutralität bis spätestens 2050. Das bedeutet, dass dann kein Kohlendioxid ausgestoßen wird oder CO2-Emissionen vollständig kompensiert werden.
Auf ein konkretes Datum zum Ausstieg aus der Kohle konnte sich die G7 nicht einigen. Merkel betonte, dass das nicht an Deutschland gelegen habe: "Andere haben da noch die Pläne nicht so weit verifiziert". Die Beschlüsse nannte die Kanzlerin trotzdem ein "starkes Bekenntnis".
Härterer Kurs gegenüber China
Mit Spannung war vor dem Gipfel erwartet worden, wie sich die G7 zu China positionieren. US-Präsident Biden plädiert für einen möglichst harten Kurs. Merkel will eine Konfrontation dagegen vermeiden. In der Abschlusserklärung wird Merkels Haltung entsprochen, indem auch das Interesse an einer Kooperation mit China zum Beispiel beim Klimaschutz hervorgehoben wird. Trotzdem wird die Kritik an China so deutlich wie noch nie in einem Abschlusskommuniqué formuliert. Die Einhaltung von Menschen- und Freiheitsrechten mahnt die G7 vor allem mit Blick auf Hongkong und die muslimische Minderheit der Uiguren in der Provinz Xinjiang.
Der "Neuen Seidenstraße", mit der China über die Erschließung von Handelswegen Einfluss in Afrika und Lateinamerika, aber auch in Asien und Europa zu gewinnen versucht, setzt die G7 nun eine eigene Infrastrukturinitiative entgegen. "Da können wir nicht tatenlos zusehen", betonte Merkel. Die G7-Gruppe müsse zeigen, "dass wir ein wichtiger und erfolgreicher Faktor bei der Entwicklungsarbeit auf der Welt sind".
Kam das Virus doch aus dem Labor?
Die G7 wollen überdies bei der Suche nach dem Ursprung des Coronavirus nicht locker lassen. In der Abschlusserklärung des G7-Gipfels im englischen Carbis Bay wurde am Sonntag eine "zeitnahe, transparente, von Experten geführte und wissenschaftlich basierte Studie" gefordert. Die Ermittlungen sollen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als zweite Phase der ersten Ermittlungen im Jänner und Februar in China organisiert werden.
Die Studie soll wie von den beteiligten Experten empfohlen auch in China stattfinden, heißt es im Text. Diese Formulierung scheint zumindest die Möglichkeit einzuschließen, wie von China gefordert, zusätzlich auch noch anderswo zu ermitteln. Mit dieser Forderung will Peking seine These untermauern, dass das Virus nicht unbedingt aus China stammt, sondern auch aus dem Ausland gekommen sein könnte. Dahinter steckt die Sorge, für die Pandemie angeprangert zu werden.
Abgrenzung gegenüber Russland
Zum Abschluss ihres Gipfeltreffens grenzten sich die G7-Staaten auch deutlich Russland ab. Moskau müsse sein "destabilisierendes Verhalten" beenden und Angriffe auf Oppositionelle einstellen. Man wolle mit Russland "stabile und vorhersehbare" Beziehungen und in "Bereichen wechselseitigen Interesses" zusammenarbeiten, heißt es in der Erklärung. Die Führung in Moskau forderten die Staats- und Regierungschefs der sechs westlichen Industrienationen und Japans dazu auf, ihr "destabilisierendes Verhalten und ihre schädlichen Aktivitäten" zu beenden, darunter die "Einmischung in die demokratischen Systeme anderer Staaten".
Moskau müsse zudem jene Netzwerke innerhalb des eigenen Landes zur Verantwortung ziehen, die sogenannte Ransomware-Attacken oder andere Cyber-Angriffe auf ausländische Stellen verübten, hieß es in der Abschlusserklärung. Die Gipfelteilnehmer forderten Moskau auch dazu auf, auf "glaubwürdige Weise die Nutzung einer chemischen Waffe auf seinem Staatsgebiet" zu erklären und die "systematische" Unterdrückung von Zivilgesellschaft und unabhängigen Medien einstellen.
Mindeststeuer für globale Konzerne
Die G7 wollen mit der größeren Staatengruppe der G20-Wirtschaftsmächte bis Juli auch eine Einigung über die globale Mindeststeuer für internationale Konzerne erreichen. Zum Abschluss des G7-Gipfels stellten sich die Staats- und Regierungschefs hinter den Beschluss ihrer Finanzminister über eine Einführung der 15-prozentigen Mindeststeuer und die Verteilung von Steuerrechten.
"Damit haben wir einen bedeutenden Schritt in Richtung eines gerechteren Steuersystems gemacht, das zum 21. Jahrhundert passt, und kehren einen 40 Jahre andauernden Abwärtswettlauf um." Die Zusammenarbeit werde gerechtere Wettbewerbsbedingungen schaffen, mehr Steuereinnahmen erzeugen und gegen Steuervermeidung vorgehen, heißt es in der Erklärung. Die G7-Staaten hofften auf eine Einigung auf dem Treffen der Finanzminister der G20-Wirtschaftsnationen im Juli.
Während zur Gruppe der Sieben die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan und Kanada gehören, kommen im G20-Kreis auch weitere führende Volkswirtschaften wie China, Südkorea, Argentinien, Australien, Brasilien, Indien, Indonesien, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika und Türkei hinzu.