In Portugal sorgt eine heikle Datenweitergabe für Empörung: Fernando Medina, der Bürgermeister von Lissabon, sieht sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert, seit bekannt wurde, dass die städtischen Behörden persönliche Informationen und Kontaktdaten von drei in Lissabon wohnhaften russischen Kreml-Kritikern an die Botschaft und an das russische Außenministerium in Moskau weitergaben.
Die Daten waren gesammelt worden, als die drei Russen im Jänner eine Solidaritätskundgebung mit dem inhaftierten Kreml-Kritiker und Anti-Korruptionskämpfer Alexej Nawalny organisierten. Aufgrund der damals geltenden Corona-Bestimmungen, mussten detaillierte persönliche Angaben an die Stadtverwaltung übermittelt werden.
Xenia Ashrafullina, eine der Organisatorinnen, berichtete gegenüber "Expresso", "Politico" und anderen Medien, dass sie bei der Durchsicht ihrer E-mails zufällig entdeckte, dass Mitarbeiter der Stadtverwaltung ihre Daten an die russischen Behörden weitergeleitet hatten. Die russische Justiz hat vor wenigen Tagen alle Nawalny-Organisationen als "extremistisch" eingestuft und verboten. Menschen, die sich für Nawalny einsetzen, müssen in Russland mit Haftstrafen rechnen. "Ich dachte, ich sei in Portugal sicher", sagte die 36-Jährige. Nun müsse sie Vergeltung des russischen Staats fürchten.
"Wenn man es mit Russland zu tun hat, hat man es mit einem terroristischen Staat zu tun, der seine Bürger einschüchtert", sagte Ashrafullina. Über die Beweggründe der Stadt Lissabon, ihre Daten weiterzugeben, könne sie nur spekulieren. "Ist es Korruption, Spionage oder einfach Dummheit?", fragte die gebürtige Russin.
"Ein Fehler"
Bürgermeister Fernando Medina, der eigentlich als möglicher Nachfolge-Kandidat für Premierminister Antonio Costa gilt, drückte sein Bedauern aus und entschuldigte sich für den "bürokratischen Fehler". Den Vorwurf der Komplizenschaft mit Moskau wies er aber zurück. Die Entscheidung, die Daten weiterzuleiten, beruhe auf der bestehenden Gesetzeslage. Medina räumte aber ein, dass diese nicht "kontextadequat" sei und nun überarbeitet werde. Zugleich drückte er seine Solidarität mit den russischen Dissidenten und ihrer Kritik an den Repressionen in Russland aus.
Die Angelegenheit erreichte schließlich auch Brüssel: Portugiesische Abgeordnete des Europa-Parlaments richteten eine Anfrage an die EU-Kommission, um zu klären, ob sich die Behörden in Lissabon "im Einklang mit üblichen diplomatischen Praktiken gegenüber Russland verhalten hätten" und ob der Fall die europäische Datenschutzrichtlinie verletze.