Russlands Justiz hat mehrere Organisationen des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny endgültig verboten. Unter anderem die Anti-Korruptions-Stiftung FBK und die Regionalstäbe des Oppositionellen seien als extremistisch eingestuft worden, teilte das Moskauer Gericht am Mittwochabend nach rund zwölfstündiger Verhandlung mit. Nawalnys Anwälte kündigten umgehend Berufung an.

Seine Unterstützer hatten das Verfahren als politisch motiviert kritisiert. Im Zusammenhang mit einem neu erlassenen Gesetz dürfen sie nun unter anderem bei der Parlamentswahl im Herbst nicht mehr antreten. Nawalnys Unterstützer beklagen, dass die Justiz so den Kampf gegen Korruption sowie die Straßenproteste vor Wahl lahmlegen will.

Vermögen wird umgewandelt

Laut Anwälten ist es den Anhängern des 45-Jährigen nun unter anderem verboten, Kundgebungen zu organisieren, Finanztransaktionen zu tätigen und beliebige Informationen zu verbreiten. Das Gericht beschloss außerdem, das Vermögen der Nawalny-Stiftung in Staatseigentum umzuwandeln. Aus Sicht der Moskauer Staatsanwaltschaft destabilisiert die Bewegung "die gesellschaftlich-politische Lage im Land".

Nawalny selbst kritisierte in einem Instagram-Beitrag, dass der Gerichtsprozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Der 45-Jährige appellierte an alle Unterstützer, sich nicht unterkriegen zu lassen. "Solange es euch gibt, verschwinden wir nicht." Sein Team werde sich nun neu sortieren. Von seinen Zielen werde es aber nicht abrücken: "Das ist unser Land, ein anderes haben wir nicht."

Zuvor hatte bereits der Direktor von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, Iwan Schdanow, die Russen dazu aufgerufen, sich bei der Dumawahl nun erst recht an der "schlauen Abstimmen" zu beteiligen. Diese sieht vor, dass Wähler für einen beliebigen Kandidaten stimmen sollen - nur nicht für jenen der Kremlpartei.

Neues Gesetz

Seit wenigen Tagen gilt in Russland ein neues Gesetz, das es Unterstützern extremistischer Vereinigungen künftig verbietet, bei Wahlen zu kandidieren. Von russischen Oppositionellen war es mit Blick auf die absehbare Gerichtsentscheidung als "Anti-Nawalny-Gesetz" bezeichnet worden. Auch aus der EU kam deutliche Kritik.

Die US-Regierung verurteilte den Schritt der russischen Justiz. "Mit dieser Maßnahme hat Russland faktisch eine der wenigen verbliebenen unabhängigen politischen Bewegungen des Landes kriminalisiert", erklärte der Sprecher des Außenministeriums, Ned Price, am Mittwochabend (Ortszeit). Washington rief Russland auf, die Bezeichnung von gewaltfreien Organisationen als extremistisch einzustellen, Nawalny und seine Anhänger nicht länger zu unterdrücken und internationale Verpflichtungen zur Achtung und Gewährleistung von Menschenrechten und Grundfreiheiten zu erfüllen.

Beunruhigender Vorstoß

Der jüngste Vorstoß sei "besonders beunruhigend", aber auch bezeichnend für das zunehmende Vorgehen gegen die politische Opposition, die Zivilbevölkerung und unabhängige Medien.

Die "New York Times" sah in dem jüngsten Vorgehen der russischen Justiz auch eine Botschaft an US-Präsident Joe Biden, der sich kommende Woche Mittwoch mit Kremlchef Wladimir Putin in Genf trifft. Die Entscheidung zeige, dass die russische Innenpolitik bei dem Gipfel nicht zur Debatte stehe.

Biden sagte am Mittwochabend zum Auftakt seiner Europa-Reise vor US-Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt Mildenhall in Ostengland, er treffe Putin, "um ihm mitzuteilen, was ich ihm mitteilen möchte". Die USA suchten keinen Konflikt mit Russland, würden aber reagieren, wenn die russische Regierung "schändliche Handlungen" begehe.

Betätigungsverbot

Bereits vor einigen Wochen war ein vorläufiges Betätigungsverbot gegen Nawalnys Regionalstäbe verhängt und die Tätigkeit seiner Anti-Korruptions-Stiftung massiv eingeschränkt worden. Wenige Tage später setzte die russische Finanzaufsichtsbehörde die Regionalstäbe auf die Liste extremistischer und terroristischer Organisationen.

Erst im April waren landesweit Zehntausende Menschen bei Demonstrationen für den populären Putin-Gegner auf die Straße gegangen. Nawalny, der im vergangenen Jahr nur knapp einen Giftanschlag überlebte, ist seit Monaten in einem Straflager inhaftiert.