Ein Flugzeugabsturz steht am Anfang: Am 6. April 1994 stirbt der ruandische Präsident Juvénal Habyarimana bei einem Anschlag auf seine Maschine. Die Garde des zum Stamm der Hutu gehörenden Präsidenten macht für die Tat verfeindete Tutsi verantwortlich. Was folgt, ist eines der blutigsten Kapitel des 20. Jahrhunderts.

Innerhalb von drei Monaten töten radikale Hutu in Ruanda 800.000 Menschen, die meisten von ihnen sind Tutsi, aber auch gemäßigte Hutu sind darunter. Hunderttausende fliehen aus dem ostafrikanischen Land, viele nach Tansania. Kleine Dörfer werden über Nacht zu Flüchtlingsstädten. Seuchen brechen aus. Die Cholera grassiert.

Fast drei Jahrzehnte später sind die Menschen nach wie vor traumatisiert. In einem Untersuchungsbericht wurde eindeutig festgestellt, dass die Präsidentengarde 1994 selbst für den Raketenangriff auf das Flugzeug verantwortlich war. Juvénal Habyarimana war von den eigenen Leuten ermordet worden. Der Abschuss des Flugzeugs war der Auslöser für den Völkermord in Ruanda. Es war eine inszenierte Tragödie.

Die französische Armee war 1994 mit einem UN-Mandat in der Region. Ruanda wirft Frankreich seit Jahren vor, sich durch seine Rückendeckung für die damalige Regierung an dem Völkermord mitschuldig gemacht zu haben.

Macron in Kigali

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist heute im ostafrikanischen Staat Ruanda zu Besuch, um eine Normalisierung in den Beziehungen einzuleiten. Das Verhältnis der beiden Länder ist bis heute stark eingetrübt.

Macron hatte schon vor seinem Abflug in Paris die Hoffnung auf einen Neuanfang ausgedrückt. Nach einem Empfang durch Präsident Paul Kagame in Kigali wurde die Gedenkstätte für die Opfer des Genozids besucht. In seiner Rede erklärte Präsident Emmanuel Macron, Frankreich anerkenne seine politische Verantwortung während des Völkermords 1994.

Macron erklärte, Frankreich habe die Pflicht, "sich der Geschichte zu stellen und das Ausmaß des Leidens anzuerkennen, das es dem ruandischen Volk zugefügt hat". Paris habe zu lange gewartet, die Wahrheit zu prüfen, sagte Macron. Die internationale Gemeinschaft habe drei "endlose" Monate vergehen lassen, bevor sie reagierte. Obwohl Frankreich bei internationalen Verhandlungen im August 1993 einen regionalen Konflikt oder Bürgerkrieg verhindern wollte, habe es Warnungen von Beobachtern ignoriert und sich dabei unwillkürlich auf die Seite der Täter gestellt, die Monate später den Völkermord begehen würden, sagte Macron.

Historiker-Kommission

Anfang dieses Jahres kam eine Historiker-Kommission zur Einschätzung, dass auf Frankreich in Bezug auf den Völkermord in Ruanda 1994 tatsächlich eine besonders schwere Verantwortung laste. Fast drei Jahrzehnte nach dem Völkermord wies eine Historikerkommission Frankreich eindeutig eine politische Mitverantwortung an den Verbrechen zu.

In einem mehr als tausendseitigen Untersuchungsbericht, der von Präsident Emmanuel Macron in Auftrag gegeben wurde um endgültig Klarheit zu schaffen, kommen die Historiker zu dem Schluss, Frankreich sei angesichts der Vorbereitungen des Genozids "blind" und "verantwortungslos" geblieben.

Die Kommission bescheinigt Frankreich ein klares Versagen in den Jahren 1990 bis 1994. Damals regierte im Elyséepalast der Sozialist François Mitterrand. Die Experten kritisierten, Frankreich habe sich der damaligen Regierung in Ruanda "angepasst" und zu spät mit ihr gebrochen. Dem Bericht zufolge gibt es jedoch keine Beweise für eine Mitschuld Frankreichs an der Tötung von den mehr als 800.000 Angehörigen der Bevölkerungsgruppen Tutsi und Hutu. Ruanda wartet nun auf eine klare Reaktion Frankreichs für seine Mitschuld.

Paul Kagame
Paul Kagame © AFP
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