Radikale Gruppen wie die schiitische Hisbollah im Libanon oder der sunnitische Islamische Staat werden versuchen, die Wut über das Vorgehen der israelischen Streitkräfte und Siedler zu instrumentalisieren. Weil wichtige arabische Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate ihren Frieden mit Israel gemacht haben, dürfte sich der Iran nun erst recht als Beschützer der Palästinenser gegen den jüdischen Staat aufspielen. Teheran zahlt ohnehin schon Millionensummen an die Hisbollah und an die Hamas im Gaza-Streifen. Wenn bei den iranischen Präsidentenwahlen im nächsten Monat ein Hardliner gewinnt, könnte diese Unterstützung noch einmal aufgestockt werden.
Ein sofortiges Ende der Kämpfe wäre der beste Weg, die Eskalation aufzuhalten, doch selbst ein Waffenstillstand wäre keine Dauerlösung. Seit fast hundert Jahren speist der ungelöste Konflikt zwischen Juden und Palästinensern immer neue Gewaltausbrüche. Solange diese „offene Wunde“, wie es der BBC-Nahostexperte Jeremy Bowen ausdrückt, nicht verheilt, wird es wieder und wieder Gefechte, Anschläge und Angriffe geben. Mal ist die innenpolitische Lage in Israel der Grund dafür, mal legen palästinensische Extremisten neues Feuer an die Lunte. Auch nach den israelisch-arabischen Friedensschlüssen kann die Region dieser Spirale nicht entkommen.
Aufgabe der Diplomatie
Die internationale Diplomatie hat längst den Versuch aufgegeben, den Grundkonflikt zu lösen. Der amerikanische Ex-Präsident Trump versuchte es zuletzt mit der Brechstange, indem er Israel freie Hand gab und den Palästinensern die Finanzhilfe strich, um ihre Kapitulation zu erzwingen. Gebracht hat es nichts. Trumps Nachfolger Biden will es anders machen, doch völlig neue Ansätze lässt er bisher nicht erkennen.
Deshalb wird es auf absehbare Zeit nur darum gehen können, die Folgen der Spannungen so gut es geht zu begrenzen. Das wird nicht funktionieren, ohne den Iran einzubinden. Immerhin in dieser Hinsicht gibt es ein wenig Hoffnung. Kürzlich begonnene Gespräche zwischen dem Iran und dem Rivalen Saudi-Arabien bieten die Chance, dass der Iran im Gegenzug für ein Ende seiner Isolation in der Region seine Politik mäßigt und zum Beispiel die Hilfe für Gruppen wie die Hamas reduziert.
Dabei gibt es keine Erfolgsgarantie. Selbst wenn es gut läuft, wird es lange dauern, bevor Teheran und Riad ihr gegenseitiges Misstrauen so weit abgebaut haben, dass sie belastbare Vereinbarungen treffen können. Mindestens bis dahin werden Extremisten immer wieder Oberwasser haben.