Wenn es nach Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) geht, soll der unter den EU-Staaten geplante "Grüne Pass" auf Drittstaaten, insbesondere die Westbalkan-Staaten, ausgedehnt werden. "Absolut", antwortete Edtstadler während eines Besuchs in der albanischen Hauptstadt Tirana, auf eine Frage der APA. Der "Grüne Pass" soll negative Corona-Tests, eine überstandene Covid-Erkrankung oder Impfungen bescheinigen. So sollen Reisen wieder ungehinderter möglich werden.
"Für uns ist der Westbalkan einfach eine Region, die uns nahe liegt, (...) wo wir auch viele Menschen bei uns haben, die regelmäßig hinfahren, und deshalb bin ich (...) dafür, dass wir auch den 'Grünen Pass' auf diese Länder ausdehnen", sagte Edtstadler. Die EU-Erweiterungsländer auf dem Westbalkan sollten sich bei den Zertifikaten und den technischen Gegebenheiten an den EU-Staaten orientieren, damit deren Bürger sicher nach Österreich reisen könnten. "Aber auch umgekehrt: Es steht die Sommersaison vor der Tür. So sehr es auch Spaß macht, in Österreich Urlaub zu machen, kann ich jene verstehen (...), die im Sommer wieder das Meer sehen wollen und da liegt der Westbalkan sehr nahe", führte die Europaministerin aus.
"Dem stehe nichts im Weg"
Edtstadler besuchte jüngst auch Spanien und Portugal. Diese beiden Länder hätten wiederum aufgrund enger Verbindungen nach Lateinamerika die Länder dieser Weltregion als mögliche Teilnehmer am "Grünen Pass" im Blick: "Die Spanier und Portugiesen sind dafür, dass man beim Grünen Pass auch diese Länder mitdenkt, wenn dort Impfungen vorgenommen sind, oder die Leute getestet von dort herkommen."
Einer Miteinbeziehung solcher Drittstaaten steht aus Sicht Edtstadlers nichts im Weg. Sie halte das für "absolut möglich". Beim letzten (EU-)Rat Allgemeine Angelegenheiten habe "totale "Einigkeit bestanden hat, dass wir den Grünen Pass brauchen". Viele hätten demnach auch sofort gesagt: "'Wir müssen ihn auch auf Drittstaaten erweitern.'" Da gehört für uns der Westbalkan dazu, für andere - zum Beispiel Spanien und Portugal - die Staaten in Südamerika."
Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll der "Grüne Pass" (Digitales Grünes Zertifikat) zur Bescheinigung eines negativen Tests, einer überstandenen Corona-Erkrankung oder einer Impfung im Juni in Kraft treten. Österreich ist diesbezüglich skeptisch und will mit einer eigenen Lösung vorpreschen. "Wir können nicht auf die EU warten", meinte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag mit Blick auf die angebliche Absicht der Union, den Impfpass tatsächlich "erst im Sommer" umsetzen werde.
In drei Phasen
In Österreich kommt der "Grüne Pass" laut Ankündigungen in drei Phasen, zunächst als Eintrittskarte beispielsweise zu Gastronomie oder Veranstaltungen, zum Schluss ab Anfang Juli zu Beginn der Ferienzeit für grenzüberschreitendes Reisen. Dabei wird die digitale Lösung dann in der EU und vermutlich auch im EWR-Raum und der Schweiz anerkannt. Dabei kann jedes Land eigene, etwas andere Kriterien festlegen. Das heißt, es könnte beispielsweise durchaus Staaten geben, die den testlosen Zutritt erst nach dem zweiten Stich bei der Impfung ermöglichen, andere bereits nach dem ersten Stich plus einer bestimmten Frist, bis die Schutzwirkung normalerweise einigermaßen einsetzt. Der "Pass" werde am Anfang ein "Fleckerlteppich und Wildwuchs" sein, sagte Kurz.
Edtstadler traf am Donnerstag in Tirana die albanische Außen- und Europaministerin Olta Xhaçka. Bei einem gemeinsamen Presstermin erklärte Edtstadler in Sachen "Grüner Pass": "Wir müssen sichere Mobilität herstellen." Dies sei vor allem für den Tourismus wichtig. Xhaçka sagte: "Die Mobilität zwischen dem Westbalkan und der EU ist etwas Entscheidendes."
Wie zuvor diese Woche bereits in Nordmazedonien hielt sich Edtstadler auch als "Impfdiplomatin" Österreichs und starke Befürworterin der EU-Erweiterung um die Westbalkan-Länder in Albanien auf. Österreich koordiniert die Beschaffung von Corona-Impfstoff von BioNTech/Pfizer für die Region durch die EU und übernimmt eine Zwischenfinanzierung. Insgesamt sind das 651.000 Dosen für den Westbalkan, 145.000 davon für Albanien. Laut Ministerin Xhaçka (ausgesprochen wie Dschatschka) wurden den laut Eurostat rund 2,8 Millionen Albanern im Land bisher 500.000 Impfstiche verabreicht. Verwendet werden auch Vakzine aus China sowie Russlands Sputnik V, das Albanien über eine Spende der Vereinigten Arabischen Emirate erhalten hat.
Edtstadler und ihre albanische Kollegin sprachen sich für einen baldigen Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit Albanien aus. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben eigentlich vor gut einem Jahr Grünes Licht für den Beginn der Gespräche mit Albanien und auch Nordmazedonien erteilt. Wann die Verhandlungen nun aber tatsächlich starten, ist unklar, denn Bulgarien hat ein Veto gegen die Verhandlungen mit Nordmazedonien eingelegt. Grund sind Differenzen über die teils eng miteinander verbundene Kulturgeschichte von Bulgaren und Mazedoniern. Dadurch ist aber auch der Start der Verhandlungen mit Albanien blockiert.
EU-Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi hatte am Dienstag in Skopje angedeutet, dass die Prozesse Albaniens und Nordmazedoniens im Weiteren getrennt geführt werden könnten, sollte es nicht in absehbarer Zeit eine Einigung zwischen Bulgarien und Nordmazedonien geben. "Wir wollen, dass die EU unsere Fortschritte anerkennt", zeigte sich auch Xhaçka ungeduldig. Edtstadler hatte die Haltung Bulgariens am Dienstag in Skopje als "nicht duldbar" scharf kritisiert.
Edtstadler will die Westbalkan-Staaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Serbien, Nordmazedonien und Montenegro nicht nur am "Grünen Pass", sondern als künftige EU-Mitglieder auch an der gerade in die Gänge kommenden EU-Zukunftskonferenz beteiligt sehen. Sie "müssen in diesen Prozess eingebunden werden, immerhin geht es um eine Perspektive für die nächsten 25 Jahre." Ein weiteres Thema, das Edtstadler und Xhaçka besprachen, war die illegale Migration und die Zusammenarbeit im Kampf dagegen. Laut Edtstadler wurden im Vorjahr 52.000 Personen in der Region aufgegriffen.