Das Interesse am Flughafen in Sarajewo war groß, als 10.530 Impfstoff-Dosen von Biontech/Pfizer aus einem Hilfsprogramm der EU angeliefert wurden. Viele Journalisten und Kamerateams warteten am Rollfeld. Als die Vakzine in drei mittelgroßen Kartons schließlich aus dem Flugzeug ausgeladen wurden, ging ein Raunen durch die Wartenden. Sah die Lieferung im Vergleich zu den Erwartungen doch nach wenig aus. Für die Region, insbesondere Bosnien-Herzegowina, sind sie jedoch viel wert. "Heute ist ein großer Tag, der zeigt, dass uns die Region und Bosnien-Herzegowina am Herzen liegt", sagte EU-Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi, der Impfstoffe aus Brüssel brachte. Gemeinsam mit Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) wurden die Pfizer/Biontech-Dosen feierlich an den bosnischen Ministerpräsidenten Zoran Tegeltija überreicht.
Bis August sollen insgesamt 214.000 Impfdosen aus den kollektiven EU-Ankäufen an Bosnien weitergegeben werden. Gemeinsam mit den Lieferungen aus dem Covax-Programm, dessen größter Geldgeber die EU ist, würde Bosnien fast eine Million Impfdosen erhalten, so der EU-Kommissar, der Österreich für die Koordinierung der Impfstoffhilfen für die Westbalkan-Staaten dankte.
Das sei dringend notwendig: Denn während Serbien bei der Impfrate zumindest gleichauf mit Österreich liegt und bereits fast 30 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfdosis erhalten haben und auch Ausländer zur Impfung einlädt, sind im restlichen Westbalkan bisher kaum Impfstoffe eingetroffen. Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien und Albanien gehören zu den Schlusslichtern beim Impfen in Europa.
Hohe Todesrate
Diese Ungleichheit im Anti-Corona-Kampf schürte vor allem in der bosnischen Hauptstadt Sarajewo Wut, so war es in den vergangenen Wochen immer wieder zu Straßenprotesten wegen der schleppenden oder fehlerhaften Beschaffung von Impfstoff gekommen. Nicht einmal zwei Prozent der Bevölkerung wurden auch nur einmal geimpft. Und das bei einem Sieben-Tage-Inzidenzwert im März von teilweise über 1000. Inzwischen hat sich nach verschärften Einschränkungen die Lage verbessert. Doch mehr als 8300 Menschen sind bisher in dem 3,3-Millionen-Einwohnerland in Zusammenhang mit Covid-19 gestorben.
Impfen bis 2022?
Nicht viel besser sieht die Impf-Lage in Nordmazedonien, im Kosovo und in Albanien aus. Laut einer Studie des Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche würde es bei der aktuellen Geschwindigkeit in Teilen des Westbalkans noch bis 2022 dauern, die Bevölkerung zu impfen. Das stellt auch eine Bedrohung für die Europäische Union da.
Die Westbalkanländer sollen darum im Rahmen der von Österreich koordinierten Impfhilfe der Europäischen Union bis August 651.000 Dosen Impfstoff aus den kollektiven EU-Ankäufen erhalten. Wien hat im Auftrag der EU Kauf- und Lieferverträge mit Biontech/Pfizer abgeschlossen und auch die Zwischenfinanzierung übernommen. Im Sommer sollen weitere Lieferungen folgen. Den Löwenanteil erhält Bosnien.
Nicht im Stich lassen
Schallenberg dazu: Die Impfhilfen sollen "ein europäischer Turbo" für die schleppende Impfkampagne in dem Land sein. "Ihre Sicherheit ist unsere Sicherheit", sagte der Außenminister, der auf die rund 200.000 Menschen mit bosnischen Wurzeln in Österreich hinwies. "Niemand ist in Sicherheit, solange nicht alle in Sicherheit sind." Weitere Lieferungen aus der EU sollen im Sommer folgen. Es gehe auch darum zu zeigen, dass die EU ihre Nachbarn nicht im Stich lasse und ein verlässlicher Partner sei, betonte Schallenberg. „Wenn die EU der Region den Rücken kehrt, werden andere dieses Vakuum füllen", sagte der Außenminister.
Impfstoff-Diplomatie
Während die EU in den vergangenen Monaten selbst mit Lieferschwierigkeiten bei den Impfstoffen zu kämpfen hatte, bauten Russland und China und auch die Türkei mithilfe der Impfstoffdiplomatie ihren Einfluss in der Region aus. Dem will man einmal mehr entgegensteuern.