Österreich rede mit allen Seiten. Ein Dialog setze aber voraus, "dass beide bereit sind zu reden. Momentan hat man nicht das Gefühl, dass Lukaschenko bereit ist", sagte Schallenberg am Mittwoch in Wien. Die Organisation, die dafür "perfekt" sei, sei die OSZE.

Tichanowskaja hatte unter anderem im APA-Interview den Wunsch geäußert, Österreich solle als Vermittler zwischen dem Regime von Staatschef Alexander Lukaschenko und der Oppositionsbewegung in Weißrussland (Belarus) auftreten. Die österreichischen Grünen würden dies befürworten. Wenn so hohes Vertrauen in die Vermittlerrolle Österreichs gesetzt werde, "sollten wir diese bedeutungsvolle Aufgabe mit aller Ernsthaftigkeit wahrnehmen", so die Grüne Menschenrechtssprecherin Ewa Ernst-Dziedzic.

Lukaschenko selbst hat jedoch bisher keine Bereitschaft zum Dialog erkennen lassen, sondern lässt seine Sicherheitskräfte brutal gegen Demonstranten vorgehen. Es gab mehr als 30.000 Festnahmen, Hunderte Verletzte und mehrere Tote.

"Wir schauen nicht weg"

"Wir schauen nicht weg, wir bleiben engagiert", betonte Schallenberg am Mittwoch. "Es ist frustrierend." Dennoch müsse der Druck auf das Regime aufrechterhalten bleiben. Die EU werde beim nächsten Außenministerrat im Mai über neue Sanktionen beraten. Gleichzeitig müsse die Zivilgesellschaft unterstützt werden. Dabei gehe es um Kontakte zwischen NGOs, zu Experten der Venedig-Kommission und um Reisen von jungen belarussischen Künstlern nach Österreich.

Tichanowskaja dankte Österreich für sein Engagement. Sie betonte, es sei wichtig, dass bekannt sei, wie es den Menschen in Belarus gehe und unter welchen schrecklichen Bedingungen Regimekritiker in Haft seien. Die Ex-Präsidentschaftskandidatin betonte auch, dass österreichische Unternehmen nicht mit dem belarussischen Regime kooperieren sollten. "Wir arbeiten daran." Schallenberg ergänzte, dass die Bundesregierung mit den betroffenen Unternehmen rede, aber nicht interveniere. Würden sich die österreichischen Unternehmen zurückziehen, würden andere zum Beispiel russische Firmen die Lücke schließen.

Auch Treffen mit Kurz

Im Anschluss an das Gespräch mit Schallenberg traf Tichanowskaja Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Dieser erklärte in einer Stellungnahme, "beeindruckt vom Engagement von Swetlana Tichanowskaja sowie der belarusischen Zivilgesellschaft" zu sein. "Wir unterstützen die Bemühungen der belarusischen Opposition und Zivilgesellschaft, insbesondere von Swetlana Tichanowskaja, für freie und faire Wahlen in Belarus voll und ganz. Wir werden uns auch eng mit unseren Partnern in der EU abstimmen."

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Zur Präsenz österreichischer Investoren in Belarus ergänzte das Bundeskanzleramt, dass diese auch für die belarusische Bevölkerung den Kontakt nach Europa ermögliche, "was gerade in der aktuellen Situation sehr wichtig ist." Aus dem Bundeskanzleramt hieß es zudem, dass die Situation für österreichische Investoren in Weißrussland auch aufgrund staatlichen Drucks eine schwierig sei und man ausdrücklich den Dialog der österreichischen Unternehmen mit der Zivilgesellschaft, wie etwa seitens RBI, unterstütze.

Die EU erkennt Lukaschenko seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom 9. August 2020 nicht mehr als Präsidenten an. Seit der international als gefälscht eingestuften Wahl gibt es in Weißrussland regelmäßig Proteste gegen Lukaschenko. Wegen des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten haben die EU und die USA Sanktionen verhängt. Die EU-Einreise- und Vermögenssperren gegen Lukaschenko und sein Umfeld gelten bis Ende Februar 2022. Auch sieben Unternehmen, die Lukaschenko nahestehen, wurden mit Strafmaßnahmen belegt.

Österreich hat sich als neutrales Land stets um ein gutes Verhältnis zum Westen und Osten bemüht. Es gab auch einige bilaterale Treffen. 2018 etwa reiste Bundespräsident Alexander Van der Bellen anlässlich der Eröffnung einer Gedenkstätte im NS-Vernichtungslager Maly Trostenez nach Weißrussland. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) besuchte Minsk zweimal. Lukaschenko wurde im November 2019 in Wien empfangen. Österreich war damit das erste EU-Land, das dem autoritär regierenden Staatschef nach dem Ende von früheren EU-Sanktionen 2016 den roten Teppich ausrollte. Diese Einladung bereut Van der Bellen auch im Nachhinein nicht. Die Visite sei in Zusammenhang mit der Kooperation Weißrusslands bei der Gedenkstätte Maly Trostenec zu sehen. Außerdem habe von Seiten der Wirtschaft der Wunsch bestanden, Lukaschenko nach Wien einzuladen, erklärte Van der Bellen vor einigen Monaten.