Die Ärzte des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny haben an den inhaftierten 44-Jährigen appelliert, seinen Hungerstreik zu beenden. Der Kardiologe Jaroslaw Aschichmin und vier weitere Mediziner riefen Nawalny in einem im regierungskritischen Medium "Mediasona" veröffentlichten Brief dazu auf, den Hungerstreik "sofort zu beenden", um sein Leben und seine Gesundheit zu erhalten. Nawalny war am 31. März in den Hungerstreik getreten.
Sollte Nawalny weiterhin die Nahrungsaufnahme verweigern, drohten ihm "erhebliche" Gesundheitsschäden oder sogar der Tod, warnten die Unterzeichner des Briefs, darunter auch Nawalnys persönliche Ärztin Anastasia Wassiliewa. Die Ärzte warnten unter anderem vor einem möglichen Nierenversagen, schweren neurologischen Schäden sowie vor einer schweren Hyponatriämie - einer Form von Elektrolytstörung - bei Nawalny. "Wenn der Hungerstreik auch nur noch für kürzeste Zeit andauert, werden wir leider niemanden mehr haben, den wir heilen können", mahnten sie. Die Ärzte appellierten an die Behörden, ihnen Zugang zu ihrem Patienten zu gewähren und Nawalny in ein Krankenhaus in Moskau zu verlegen, wo er "angemessen behandelt" werden könne.
Gesundheitszustand massiv verschlechtert
Nawalny, der prominenteste russische Kritiker von Präsident Wladimir Putin, befindet sich derzeit in einem Krankenhaus im 180 Kilometer östlich von Moskau gelegenen Wladimir. Seinen Eintritt in den Hungerstreik hatte er damit begründet, dass die Gefängnisverwaltung ihm eine angemessene medizinische Versorgung verwehre. Seinen Unterstützern zufolge hat sich der Gesundheitszustand des 44-Jährigen massiv verschlechtert.
Nawalny hatte im August des vergangenen Jahres einen Anschlag mit einem Nervengift aus der Nowitschok-Gruppe knapp überlebt. Nach dem Anschlag, für den Nawalny den Kreml verantwortlich macht, wurde er nach Deutschland geflogen und in der Berliner Charité behandelt. Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Russland im Jänner wurde er festgenommen und später wegen angeblicher Verstöße gegen Bewährungsauflagen zu mehr als zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt. Für Nawalnys Freilassung gingen am Mittwoch tausende Menschen in ganz Russland auf die Straße. Nach Aktivistenangaben wurden dabei etwa 1.900 Menschen festgenommen.
Frankreich droht mit Sanktionen bei Tod Nawalnys
Frankreich warnte Russland mit scharfen Worten davor, Nawalny sterben zu lassen. "Das erbarmungslose Vorgehen gegen Nawalny ist unerträglich", sagte Außenminister Jean-Yves Le Drian am Donnerstag dem TV-Sender France 2. Sollte der Oppositionelle sterben, "werden wir die nötigen Sanktionen ergreifen". Die EU werde Russlands Präsident Wladimir Putin und die russischen Behörden dafür verantwortlich machen. Le Drian ergänzte: "Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt."
Die Parlamentarische Versammlung des Europarats forderte die Freilassung Nawalnys. Bis es soweit sei, solle er die notwendige medizinische Pflege und einen Arzt seiner Wahl erhalten, hieß es in einer am Donnerstag verabschiedeten Resolution. Dass Nawalny bisher offensichtlich keine angemessene medizinische Versorgung erhalte, könne Fragen bezüglich seines Rechts auf Schutz vor unmenschlicher und erniedrigender Behandlung aufwerfen, hieß es. Ein Team aus dem Europarat solle sich Nawalnys Haftbedingungen vor Ort ansehen. Die Parlamentarische Versammlung verwies in ihrer Resolution auf vorherige Forderungen zur Freilassung Nawalnys aus dem Europarat - etwa vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Dessen Anordnung vom Februar sei für Russland verbindlich.