Am Montag legten sich die deutschen Grünen-Chefs fest, wer von ihnen Kanzlerkandidat wird. Das Rennen machte Parteichefin Annalena Baerbock (40), die zuletzt in aller Munde war. Sie soll ihre Partei in den Bundestagswahlkampf führen, wie Co-Parteichef Robert Habeck (51) am Montag mitteilte. "Wir beide wollten es, aber am Ende kann es nur eine machen", sagte Habeck, der ihr den Vortritt ließ.
"Es wird nicht immer leicht sein", sagt Baerbock zu ihrer Kanzlerkandidatur für die Grünen. Der Wahlkampf werde die Partei gehörig fordern. Die Partei werde sich aber untereinander helfen, die größte Kraft entstehe immer aus gemeinsamem Handeln. "Eine oder einer muss jetzt vortreten und für das Kanzler*innenamt kandidieren", schrieb Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. "Zukunft geht nur gemeinsam. Wir gehen in diesen Wahlkampf - genau wie durch die letzten Jahre - als Team. Doch unsere Stärke hat dazu geführt, dass wir zum ersten Mal in der Geschichte in den Wettbewerb um die Führung
Im Porträt
dieses Landes gehen."
Erstmals in ihrer Geschichte ziehen die Grünen mit dem Anspruch in die Wahl, stärkste Partei im Bund zu werden. Die Entscheidung muss noch auf einem Parteitag vom 11. bis 13. Juni bestätigt werden, die Zustimmung gilt aber als sicher. In Umfragen liegen die Grünen bei 20 bis 23 Prozent und damit nur wenige Prozentpunkte hinter der Union und deutlich vor der SPD. Baerbock hatte Anfang 2018 gemeinsam mit Habeck den Parteivorsitz übernommen. Sie wuchs in der Nähe von Hannover auf dem Dorf auf und studierte Politikwissenschaften und Völkerrecht in Deutschland und London. Bei den Grünen hat die Mutter von zwei Töchtern schnell Karriere gemacht: 2009 Vorstand der europäischen Grünen und Landesvorsitzende in Brandenburg, 2013 Einzug in den Bundestag und 2018 dann schließlich Co-Bundesvorsitzende.
"Ich möchte anbieten: Eine Politik, die vorausschaut, was Neues wagt, die den Menschen zuhört und ihnen was zutraut. Eine Politik, die bei aller Notwendigkeit, harte Entscheidungen zu treffen, menschlich und empathisch bleibt", fasste Baerbock auf Twitter ihren grundlegenden Ansatz für die Wahlkampfphase und danach zusammen. Und weiter: "Ich möchte heute hier mit meiner Kandidatur ein Angebot machen für die gesamte Gesellschaft. Als Einladung, unser vielfältiges, starkes und reiches Land in eine gute Zukunft zu führen."
Baerbock wird bei der Wahl jedenfalls gegen zwei Männer antreten: Die SPD hat Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz nominiert, die Union muss sich noch zwischen den Vorsitzenden von CDU und CSU entscheiden, Armin Laschet und Markus Söder. Anders als bei CDU und CSU hat es bei den Grünen weder Streit noch größere öffentliche Diskussionen über die Kandidatenkür geben. Deswegen wird auch auf dem Parteitag im Juni eine große Zustimmung erwartet.
Bundesgeschäftsführer Kellner hat als Wahlziel ausgegeben, dass die Grünen das Kanzleramt erobern. "Wir wollen das Land in die Zukunft führen. Darum kämpfen wir für das historisch beste grüne Ergebnis aller Zeiten und die Führung der nächsten Bundesregierung." Ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl erzielten die Grünen 2009 mit 10,7 Prozent. Bei der Wahl 2017 kamen sie nur auf 8,9 Prozent. In Umfragen liegen die Grünen bei 20 bis 23 Prozent und damit nur wenige Prozentpunkte hinter der Union und deutlich vor der SPD.
Der ehemalige Vorsitzende der deutschen Grünen, Jürgen Trittin, hielt zuletzt zur Kritik an Baerbock, wonach diese weder im Bund noch auf Landesebene Regierungserfahrung habe, fest: "Ich habe in meiner politischen Geschichte eigene Erfahrungen gemacht, mit einer Regierungserfahrung, um dann festzustellen, dass man im Amt des Bundesministers gehörig dazulernen muss."