Der Countdown läuft. Die deutschen Grünen geben heute bekannt, ob sie mit Annalena Baerbock oder Robert Habeck in den Bundestagswahlkampf ziehen. Doch im Gegensatz zur Union läuft die Debatte um die Kanzlerkandidatur nahezu geräuschlos ab.
Dabei ist die Ausgangssituation heikel: Seit drei Jahren führt das Duo die Grünen gemeinsam. Doch als Kanzler kandidieren kann nur einer – oder eine. Zusammen führten sie die Partei in ungeahnte Umfragehöhen. Nun ist Schluss mit den Gemeinsamkeiten. Lange galt Parteichef Robert Habeck als Favorit. Nun sprechen alle nur noch über die Mitvorsitzende Annalena Baerbock.
Die neue Ruhe sagt sehr viel über die neue Professionalität der Partei. Die Grünen sind nicht nur stiller geworden, sondern auch machtbewusst. Und so ist es eine Ironie der Geschichte, dass die Grünen, bei denen die Basisdemokratie gerne einmal für turbulente Parteitage bis hin zu Farbbeutelwürfen sorgte, jetzt nicht nur irritiert zur zerstrittenen Union schauen. Sondern ihre Kandidatur tatsächlich auch ohne jede Basisbeteiligung regeln. Selbst die für eine gendergerechte Partei so brisante Wahl zwischen Mann und Frau im Spitzenamt.
Einzig Antje Vollmer, Grüne der ersten Stunde und ehemalige Bundestagsvizepräsidentin, zeigte sich leicht irritiert über die neue Disziplin. „Für mich sind das Joschkas politische Kinder“, sagte Antje Vollmer mit Blick auf den Realo-Kurs, den der Obergrüne Joschka Fischer einst eingeleitet hatte. Es sei dessen "Verdienst und Fluch zugleich, dass er aus einer quirligen, charismatischen Partei der explodierenden Egos ein machtpolitisches Instrument geformt hat."
Das zeigt, wie enorm weit Baerbock und Habeck die Grünen in den drei Jahren als Vorsitzende nach vorne brachten. Gerade "der Verzicht auf die höhere moralische Warte" habe die Partei weit über das Grünen-Milieu hinausgeführt, notierte die liberalkonservative "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Die Grünen müssen sich nicht mehr über alles empören. Ihre Politik kommt jetzt mit weniger Ausrufezeichen aus.
In der Breite
Die Folge davon: Als einzige Partei in Deutschland verzeichnen die Grünen Mitgliederzuwächse. In Bayern stellte ein CSU-Kenner schon vor Jahren fest, dass die bürgergesellschaftlich aktiven Grünen den vorpolitischen Raum dominieren: Sportvereine, Elternbeiräte, Pfarrgemeinderäte – die Partei ist mittlerweile angekommen in der Breite der Gesellschaft.
Auch in vielen Unternehmen ist der Schreck verflogen. Martin Brudermüller, Chef des Chemiekonzerns BASF, sitzt im Wirtschaftsbeirat der Grünen. Es wird schwer für Union und FDP werden, die grüne Partei als Problem für den Standort Deutschland auszumachen.