Jetzt ist sogar der oberste Russe zweifach geimpft: Russlands Staatsmedien verbreiteten am Mittwoch die frohe Kunde, dass Kremlchef Wladimir Putin jetzt vollständig immunisiert ist. "Ich möchte Sie darüber informieren, dass ich kurz vor Betreten dieses Raums meine zweite Impfung hatte", sagte Putin bei einer im Fernsehen übertragenen Videokonferenz. "Ich gehe davon aus, dass Sie, die Sie auf sich selbst und Ihre Liebsten achtgeben, dasselbe tun und meinem Beispiel folgen werden."
Dazu kommen die fast schon gewohnten täglichen Jubelmeldungen über die russischen Impfstoffe und ihren Siegeszug durch die Welt. "Indien ist das 60. Land, das Sputnik V zugelassen hat", verkündeten die Behörden kürzlich stolz. Und, nicht unwesentlich: Der russische Impfstoff habe bisher keine Blutgerinnsel verursacht, erklärt das staatliche Gamaleja-Zentrum, das den Impfstoff entwickelt hat.
Impfen im Luxusgeschäft
Dennoch kommt Putins Impfaufruf an die eigenen Bürger nicht von ungefähr. Obwohl in Russland die Freude über den neuen Exportschlager anhält, kommt die Impfkampagne im eigenen Land kaum in Schwung. Einerseits hält sich die Impfbegeisterung unter den Russen in Grenzen. Andererseits fehlt es vor allem außerhalb der Hauptstadt an Impfstoff. Obwohl sich die Bürger in Moskau einfach und unkompliziert sogar beim Einkaufen im Supermarkt oder im Gum-Kaufhaus am Roten Platz impfen lassen können, haben insgesamt erst etwa 6,4 Prozent der Bevölkerung Russlands zumindest eine Impfdosis erhalten.
In Österreich sind es 17,3 Prozent; in Serbien, das russischen Impfstoff erhält, 26,2 Prozent; in Ungarn, das als einziges EU-Land mittels Notzulassung ebenfalls Sputnik V verimpft, 32 Prozent; die USA kommen gar auf 37,5 Prozent, Israel auf 61,6 Prozent (Quelle: "Our World in Data"). Ob es in Russland einen "Sputnik"-Effekt bei den Infektionszahlen gibt, lässt sich angesichts der niedrigen Durchimpfungsrate zum jetzigen Zeitpunkt also noch nicht sagen.
Noch gibt es in Europa keine Zulassung für Sputnik V oder einen der beiden anderen in Russland entwickelten Impfstoffe. Experten der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) sind derzeit in Russland unterwegs, um Fragen zu den bisher vorgelegten russischen Daten abzuklären. Sie besichtigen Produktionsstätten, Lagerräume und Spitäler, in denen geimpft wird. Bis zu einer Entscheidung der EMA wird es noch Wochen dauern: EU-Gesundheitsexperten rechnen mit Juni oder Juli. Bis dahin könnte es aber auch schon ausreichend Impfstoff von anderen Anbietern geben.
Unklarheit herrscht aber auch in Bezug auf die Produktionsmengen: Russlands Impffunktionäre stehen in der Kritik, sie würden nicht transparent mit Zahlen umgehen. Unabhängige Experten schätzen, dass Moskau nur einen kleinen Bruchteil seiner bisher international zugesagten Impfdosen überhaupt liefern kann – ein Problem, das man auch von westlichen Impfstoffherstellern kennt.
Steiermark in Poleposition
Um die Produktion anzukurbeln, soll nun Indien Hauptproduktionsstandort für Sputnik V werden. Auch in China, Südkorea und anderen Ländern soll produziert werden: Im Gespräch ist sogar ein Produktionsstandort in der Steiermark. Als mögliche Partner dafür gelten zwei Pharmafirmen aus dem Großraum Graz. Mit ihnen laufen zurzeit Vorgespräche. Vorher aber braucht es "grünes Licht" von der EMA.
Bundeskanzler Sebastian Kurz möchte aber nicht bis Juni zuwarten und Sputnik auch schon früher auch in Österreich einsetzen. Ende März sagte er, man sei in den Verhandlungen mit Moskau "auf den letzten Metern". Man wird sehen, wie der neue Gesundheitsminister zu einer vorzeitigen Zulassung des Impfstoffs steht.