"SofaGate" ist noch nicht vorbei. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat EU-Ratspräsident Charles Michel Anfang dieser Woche deutlich gemacht, dass sie nicht noch einmal ein Verhalten wie beim EU-Türkei-Treffen in der vergangenen Woche zulassen werde. Michel, seit "SofaGate" um "den Schlaf gebracht", wie er am Wochenende selbst sagte, räumte zerknirscht ein, dass sich so etwas auch aus seiner Sicht nie wiederholen dürfe. Es ist die späte Einsicht eines 45-Jährigen, der zuletzt mehr den Rüpel ohne Kinderstube gab. Zur Erinnerung: Beim Polit-Treffen in Ankara vergangenen Dienstag war für Charles Michel ein großer Sessel neben dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan reserviert. Von der Leyen bekam hingegen einen Platz auf einem Sofa zugewiesen. Und Michel hatte in dieser Situation nichts anderes im Sinn, als es mit Loriot zu halten: "Ich will hier sitzen".
Erfahrener Premier
Rund 15 Gehminuten waren es nur von seinem alten Amtssitz als belgischer Premierministers (2014 bis 2019) zu seinem Büro im Brüsseler EU-Viertel, als der Liberale Charles Michel 2019 die Geschäfte des EU-Ratspräsidenten von seinem Vorgänger Donald Tusk übernahm.
Das verzwickte, stets zum Ausgleich zwischen den Sprachgruppen verpflichtende belgische Polit-Parkett war eine gute Vorbereitung auf die EU-Ratspräsidentschaft. Als Belgien nach den Brüsseler Terroranschlägen im März 2016 traumatisiert war, hielt Charles Michel das Land mit ruhiger Hand zusammen.
Als EU-Ratspräsident hat er bei den zu treffenden Entscheidungen zwar selbst keine Stimme, der kahlköpfige bärtige Jurist, der von Jean-Claude Juncker einmal einen Kuss auf die Glatze bekam, muss aber dafür sorgen, dass die EU bei den Gipfeln Handlungen setzt. Er ist quasi der Zeremonienmeister. Für Kritiker ist der dreifache Vater indes aber einer der Verantwortlichen für das Versagen der EU in der Impfstoff-Beschaffung.
Wie der Vater, ...
Mit Politik hatte der Frankophone von klein auf zu tun, sein Vater Louis Michel war Außenminister und EU-Kommissar. Dieser war auch einer der vehementesten Befürworter der EU-Sanktionen, als Österreich anno 2000 nach der Regierungsbeteiligung der FPÖ in der Ära Schüssel der Buhmann der EU war, der sogar dazu aufrief, nicht nach Österreich Schifahren zu gehen. In belgischen Zeitungen erschien damals der Protestaufruf gegen Österreich mit zwei Schifahrern, die mit ihrer Spur „SS“ auf die Piste zeichneten. „Wir wollten die Regierung verhindern und haben das ganze Land getroffen“, räumte Louis Michel später einmal ein. „Das tut mir leid", sagte er.
Auch Sohn Charles zeigte sich nun reuig, wenn auch zu spät. In Anlehnung an Heinrich Heine wird es auch für Charles Michel noch länger heißen: "Denk' ich an Ankara in der Nacht, bin ich um meinen Schlaf gebracht."