Das war dann doch eine Überraschung. „Ich bin bereit zu dieser Kandidatur“, soCSU-Chef Markus Söder am Sonntag nach einer Klausur der beiden Unionsparteien. Neben ihm stand der CDU-Vorsitzende Armin Laschet und sagte: „Wir haben unsere Bereitschaft erklärt, für die Kanzlerkandidatur anzutreten.“ In der sogenannten K-Frage tobt in der Union nun ein offener Machtkampf.
Beide Kontrahenten hatten sich bereits am Samstag ausgetauscht. Beide betonten tags darauf vor der Presse ihre Bereitschaft, eine gemeinsame Lösung zu finden. Von einem „guten Prozess der beiden Parteien“, sprach Laschet. Es werde keine Auseinandersetzung „auf Biegen und Brechen“, versprach Söder. Er hatte dann aber doch ein paar Gemeinheiten parat: „Personen spielen eine wichtige Rolle, das haben die letzten Landtagswahlen gezeigt“, sagte der CSU-Chef.
Er spielte damit nicht nur auf die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz an, sondern auch auf seine guten Umfragewerte. Laschet verwies auf die „coronabedingt“ lange Auseinandersetzung um die CDU-Führung. Mehrfach musste der Parteitag vertagt werden, erst im Jänner fiel die Entscheidung. So quälend lange verlief die Debatte, dass Laschet nun ermattet wirkt. Auch das erklärt seine Schwäche.
Heute sollen die Präsidien der beiden Parteien über die Personalfragen beraten. Vorteil Laschet: Die Union muss ihren Vorsitzenden stützen, und für die CSU gilt noch immer die Faustregel: Erst Bayern, dann das Land. Morgen wiederum tagt die Bundestagsfraktion.
Vorteil Söder: Vor der Wahl im September fürchtet mancher Unionsabgeordnete angesichts mieser Umfragewerte um den Wiedereinzug in den Bundestag. 50 Parlamentarier der CDU haben sich offen für Söder ausgesprochen, darunter so einflussreiche Politiker wie Christian von Stetten, Chef des Parlamentskreises Mittelstand.
Einer will, einer muss
Söder will, Laschet muss. Das macht es nicht einfacher für den CDU-Vorsitzenden. „Wir sind nicht Kohl und Strauß“, kündigte Söder einen respektvollen Umgang an. CDU-Chef Helmut Kohl und Bayerns Ministerpräsident Franz Josef Strauß hatten sich 1980 einen heftigen Streit um die Kandidatur geliefert. Kohl schickte dann Ernst Albrecht vor, den Vater von Ursula von der Leyen. Die Bundestagsfraktion entschied den Streit und votierte für Strauß. Er verlor 1980 gegen SPD-Kanzler Helmut Schmidt und zog sich zurück nach Bayern. Zwei Jahre später kam Kohl zum Zug. Und blieb 16 Jahre.
Ein legendäres Frühstück
Auch 2002 knirschte es. Bei einem legendären Frühstück mit Brezn bei Edmund Stoiber in Wolfratshausen bot Angela Merkel dem CSU-Chef die Kandidatur an. Sie hatte keine Wahl. Die Herrenriege ihrer Partei um Friedrich Merz wollte die eigene Parteichefin nicht stützen. Merkel ließ sich von Stoiber aber den Vorsitz der Unionsfraktion zusichern. Der CSU-Chef verlor die Wahl und verharrte in Bayern. Drei Jahre später zog Merkel ins Kanzleramt ein. Und blieb bis heute.
„Es geht um viel“, sagte Laschet. Er bezog das nicht allein auf seine persönliche Zukunft. „Die Welt erwartet ein stabiles Deutschland“, fügte er hinzu. Was die Welt von ihm zu erwarten hätte, ist klar. Laschet, Katholik aus Aachen, ehemals Europaabgeordneter, steht europapolitisch in der Tradition Kohls. Was die Welt von Söder, Protestant aus Franken, zu erwarten hätte, ist weniger eindeutig. Zu wenig hat Bayerns Ministerpräsident sich außenpolitisch profiliert und innenpolitisch zeigte er sich ohnehin gern wendig.
Söder geht aufs Ganze. Er baute heimlich auch schon vor. „Wenn die große Schwester will …“, erkannte der CSU-Chef das Primat der größeren CDU an. Doch nun fordert er Laschet. Söder könnte damit heraustreten aus dem Schatten seiner Idole Strauß und Stoiber. Aber auch ohne Kandidatenamt spielt die CSU eine wichtige Rolle im Wahlkampf der erschöpften CDU.
unserem Korrespondenten Peter Riesbeck aus Berlin