Ein junger Student wird zu Grabe getragen. Umringt von seiner Familie, seinen Freunden und anderen Demonstranten des zivilen Ungehorsams. Sie stimmen ihr Revolutionslied an – schließlich war der Tote einer von ihnen. Erst am Vortrag wurde der 20-jährige Demonstrant durch eine gezielte Kugel der Sicherheitskräfte in den Kopf getötet.
Und wieder fallen Schüsse. Während der Trauerfeier feuert das Militär auf die unbewaffneten Teilnehmer. „Ich kann nicht sagen, ob es Tote oder Verletzte gab, aber sie schossen, und dann wurden 40 Trauernde dort abgeführt“, sagt eine verzweifelte Augenzeugin. Nicht einmal vor der Trauer der Menschen hat das Militär noch Respekt.
Gezieltes Töten
Myanmars Junta schreckt vor nichts mehr zurück und geht mit der größtmöglichen Härte gegen die Demokratiebewegung vor. Sie tötet gezielt Menschen: Schüsse in den Kopf und in die Brust. Schüsse auf Kinder, wahllose Schüsse in Wohnungen hinein. Währenddessen erklärte der Oberbefehlshaber und General Min Aung Hlaing in weißer Galauniform beim Bankett zu Ehren der Armee: „Das Militär reicht der ganzen Nation die Hand, um die Demokratie zu schützen.“
Nach Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation AAPP kamen allerdings bereits 510 Menschen durch die Gewalt des Militärs ums Leben – darunter auch viele Kinder.
Dass die Junta mit dieser Brutalität auf die Bewegung des zivilen Ungehorsams reagiert, die seit Anfang Februar gegen den Putsch demonstriert, kommt nicht unerwartet. „Es ist in der Geschichte Myanmars nicht das erste Mal, dass sie mit Maschinengewehren in die Menge schießen“, betont Georg Bauer von der Universität Wien.
Bauer lebte selbst in Myanmar und war dort unter anderem für die EU-Delegation tätig. Zum vierten Mal in der Landesgeschichte geht die Junta nun gegen das eigen Volk vor. Immer mit zivilen Opfern. Und auch General Min Aung Hlaing ist für seine brutale Vergangenheit bekannt. 2007 unterstützte er die blutige Niederschlagung der von Mönchen angeführten Proteste.
Er befehligte auch gnadenlos die Verfolgung der muslimschen Minderheit der Rohingya - mit Methoden wie Massenexekutionen, Massenvergewaltigung und Brandstiftung.
Beobachter sagen, dass das Militär allerdings die Widerstandsfähigkeit der Demonstranten unterschätzt habe. „Die Bevölkerung zeigt einen sehr starken Willen. Die Menschen sehen diesen Kampf nun als endgültig an. Die Bereitschaft, das eigene Leben zu lassen, oder auch die Wirtschaft sterben zu lassen, ist sehr hoch“, erklärt Bauer. Angesichts des anhaltenden Widerstands wird nun befürchtet, dass sich die Gewaltspirale immer weiter drehen könnte. Den Weg der Brutalität könne man nicht mehr verlassen, ohne Schwäche zu zeigen, das sagen auch andere, die das Land gut kennen.
Trotzdem gehen die Menschen weiter auf die Straße, mit Liedern statt Gewehren. „Wenn es für unser Land ist, sind wir bereit unser Leben zu opfern, während das Blut aus uns fließt wie aus Pfauenflügeln“, heißt es in dem Revolutionslied von 1988. „Wir kämpfen diesen Kampf bis zum Ende um Frieden und Freiheit zu erlangen.“
Internationale Maßnahmen
Unterdessen werden auch die internationalen Maßnahmen stärker. Der UNO-Sicherheitsrat befasste sich gestern mit der Gewalt gegen die Demonstranten. Doch was kann darüber hinaus noch getan werden?
Die USA legten ihre Handelsvereinbarungen mit Myanmar bereits auf Eis. Dies soll so lange gelten, bis die von der Armee abgesetzte demokratische Regierung ins Amt zurückkehrt.
Nach China und Thailand ist allerdings die EU der wichtigste Handelspartner Myanmars. Große Marken wie H&M, adidas, C&A lassen auch in Myanmar produzieren. Experten warnen davor, den Textilhandel zu sanktionieren, da dies die sowieso schon leidende Bevölkerung stark treffen würde.
Die Europäische Union hat in einem ersten Schritt Sanktionen gegen Militärangehörige verhängt, Einreiseverbote und Vermögenssperren, darunter auch gegen den Armeechef. Doch die wirtschaftlichen Verflechtungen sind eng. Denn während sich die Demokratiebewegung in Myanmar bemühte, die Einnahmequellen der Junta versiegen zu lassen, kam bis zuletzt frisches Geld aus München: „Giesecke und Devrient“, einer der größten Geld-Drucker der Welt, ist seit 1970 in Myanmar tätig und ein wichtiger Zulieferer für den Notendruck der Landeswährung Kyat. Nun zog das Unternehmen die Notbremse und stoppte sämtliche Lieferungen nach Myanmar.