Bei Protesten gegen die Militärjunta in Myanmar sind am Samstag offenbar mehr als 90 Menschen von den Sicherheitskräften getötet worden. Allein in Mandalay seien mindestens 29 Personen ums Leben gekommen, darunter ein Kind, berichteten örtliche Medien. Dem Nachrichtenportal "Myanmar Now" zufolge starben zumindest 24 Menschen in Yangon. Die neuen Proteste fanden am Tag der Armee statt, den das Militär mit einer Parade in der Hauptstadt Naypyidaw beging.
Die Hilfsorganisation für politische Gefangene AAPP hatte am Freitagabend die Zahl der Getöteten seit dem Putsch auf mindestens 328 geschätzt. Mit den Toten vom Samstag würde die Zahl 400 übersteigen. Die Zeitung "The Irrawaddy" sprach von 59 Toten am Samstag, unter ihnen drei Kinder im Alter von sieben, zehn und 13 Jahren. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist nicht möglich.
Am offiziellen Gedenktag der Armee war es in weiten Teilen des Landes zu Demonstrationen gegen die Junta gekommen. Dabei sollen Militärangehörige und Polizisten mit scharfer Munition und gezielten Kopfschüssen gegen unbewaffnete Zivilisten vorgegangen sein. Nach Angaben der Vereinten Nationen war es der "blutigste Tag" seit dem Putsch Anfang Februar. "Die Gewalt ist völlig inakzeptabel und muss sofort aufhören", hieß es in einer Mitteilung.
Die Europäische Union sprach in den sozialen Medien von einem Tag des "Terrors und der Ehrlosigkeit". Das Töten unbewaffneter Zivilisten und Kinder sei unentschuldbar. Auch der US-Botschafter in Myanmar verurteilte das Vorgehen des Militärs: "Das Blutvergießen ist grauenvoll," schrieb Thomas Vajda auf Twitter. Das Militär Myanmars habe Schande über sich gebracht, indem es auf "unbewaffnete Zivilisten" geschossen habe, schrieb der britische Botschafter Dan Chugg auf Twitter.
An der Parade nahm laut Staatsagentur Tass auch der russische Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin teil. Demnach wollen Russland und Myanmar ihre Beziehungen verstärken. Beide Staaten wollten eine militärische und militär-technische Zusammenarbeit ausbauen. Fomin nannte Myanmar einen "zuverlässigen Verbündeten und strategischen Partner in Südostasien und pazifischen Raum". Myanmars Oberbefehlshaber, Min Aung Hlaing, sagte laut der britischen BBC, dass Russland ein "wahrer Freund" sei.
Russische Medien berichteten, dass neben Russland auch Länder wie China, Indien, Pakistan, Vietnam und Thailand Vertreter entsandt hätten. Die Einladung Russlands sei eine Reaktion auf die Teilnahme Myanmars an der Militärparade in Russland im vergangenen Sommer gewesen. Russland ist den Berichten zufolge nach China der zweitgrößte Waffenlieferant Myanmars. Die USA, die Europäische Union und Großbritannien hatten nach dem Militärputsch vom 1. Februar Sanktionen verhängt.
Nach der jährlichen Parade in Naypyidaw sagte der Chef der Junta, General Min Aung Hlaing im staatlichen Fernsehen: "Die Armee will sich mit der ganzen Nation zusammentun, um die Demokratie zu sichern." Gewalthandlungen, die die Stabilität und Sicherheit beeinträchtigen würden, seien unangebracht. Er wiederholte sein Versprechen Wahlen abzuhalten, nannte aber kein Datum. Russland und China hatten Vertreter zu der Parade geschickt. Die EU-Delegation in Myanmar erklärte, der Feiertag in diesem Jahr werde "als ein Tag von Terror und Entehrung" in die Geschichte eingehen.
Tags zuvor hatte es im staatlichen Fernsehen eine Drohung gegen die Demonstranten gegeben. "Sie sollten lernen, dass man Gefahr läuft, in den Kopf und den Rücken geschossen zu werden", hieß es über den Sender MRTV.
Dass diese Drohungen mehr als ernst zu nehmen sind, beweisen die jüngsten Todesfälle. Unter den Opfern in Yangon soll ein 21-jähriger Zivilist namens Chit Bo Nyein sein. Nyein habe in dem Teeladen seiner Familie ausgeholfen, als er erschossen worden sei, sagte ein Familienangehöriger der Deutschen Presse-Agentur.
"Dieser Krieg ist erst zu Ende, wenn wir ihn gewonnen haben", sagte ein Aktivist, der anonym bleiben wollte, bei einer Demo in der Nähe der berühmten Sule-Pagode in der größten Stadt Yangon. "Wir hören nicht auf, bis es Freiheit und Gerechtigkeit gibt."
Tägliche Proteste
Seit dem Militärputsch gibt es fast täglich Proteste gegen die Machtübernahme. Die Demonstranten fordern Demokratie sowie die Freilassung der festgesetzten De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Ihre Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) hatte bei der Wahl im November einen erdrutschartigen Sieg gefeiert. Das Militär erkennt diesen jedoch nicht an, da es nach seiner Darstellung Wahlbetrug gegeben haben soll, und entmachtete Anfang Februar die zivile Regierung.
Am Samstag zu Wort gemeldet haben sich in Österreich die IG Autorinnen Autoren und die Grazer Autorinnen Autorenversammlung. Deren Mitglieder erinnerten an die zwei in Myanmar getöteten Dichter K Za Win und Kyi Lin Aye. Ein weiterer Dichter, der 1981 geborene Maung Yu Py, wurde demnach am 9. März festgenommen und eingesperrt. Er soll geschlagen und misshandelt worden sein. Ihm drohen zwei Jahre Haft. Offenbar gehörte Maung Yu Py nicht zu den 600 Menschen, die zuletzt freigelassen wurden. Auf der Internetplattform change.org wird um Unterschriften zur Unterstützung der Freilassung der Gefangenen gebeten.