Wladimir Putin wollte nicht viele Worte machen. ""Bleiben Sie gesund!" würde ich ihm antworten“, erklärte er Radio Sputnik. Er meine das ganz ohne Ironie und Witz. „Wer so etwas sagt, ist es selber.“ Gestern antwortete der russische Präsident auf noch knappere Worte seines US-Kollegen, mit denen Joe Biden am Vortag die Frage eines TV-Journalisten erwidert hatte, ob er Wladimir Putin für einen Mörder halte: "Das tue ich.“

Der russische Präsident hat seinem US-Kollegen außerdem eine Live-Debatte am Freitag oder kommenden Montag vorgeschlagen. Er lade Biden dazu ein, "unsere Diskussion fortzusetzen, aber unter der Bedingung, dass wir dies live tun, oder wie man es auch nennt 'online'", sagte Putin am Donnerstag im russischen Fernsehen.

In Moskau schlug Bidens Vorwurf laut krachend ein. An der Moskauer Börse sackte der vorher aufstrebende Rubel am Mittwoch um über eine Prozent ab. Russland beorderte seinen Botschafter in Washington zu Beratungen nach Hause. Und Kremlsprecher Dmitri Peskow bezeichnete Bidens Worte als beispiellos in der diplomatischen Geschichte beider Länder.

Rätselraten über Motive

Auch andere russische Beobachter erinnern jetzt daran, selbst während des Kalten Krieges hätten sich die Staatsführer der USA und der UdSSR nie persönlich als Killer beschimpft.

Das politische Moskau rätselt über Bidens Motive, auch über seinen Geisteszustand. „Ein Mensch, der nicht begreift, was er von sich gibt und dabei das Amt des amerikanischen Präsidenten bekleidet“, sagt der Politologe Alexei Muchin unserer Zeitung, „ist gefährlich, nicht nur für Russland, sondern für alle“.

Und das Massenblatt Moskowski Komsomolez belächelt Biden als „vergesslichen, betagten Gentleman“, der offenbar meine, Superman zu sein. „So jemand kann einen nicht beleidigen, so einer tut einem leid.“

Bewusste Aussage?

Manche Fachleute dagegen glauben, Biden habe ihren Staatschef sehr bewusst als Killer beschimpft. „Das ist ein absolut rationaler Schritt, der eine neue Realität zum Ausdruck bringt“, bloggt der Politologe Alexei Tschesnakow. Und seine Kollegin Lilija Schewzowa glaubt, der Amerikaner attackiere Putin, um die USA wieder zur moralischen Führungsmacht der freien Welt aufzubauen. Biden sehe die internationale Politik als Konfliktfeld zwischen Demokratie und Autoritarismus. Und darauf eigne sich Putins aggressiv lärmende, wirtschaftlich aber schmalbrüstige Staatsmacht viel besser zum Gegenspieler als etwa China. „Wenn Biden den Westen wirklich im Kampf gegen Korruption und Kleptokratie konsolidieren will, müsste die russische Elite sich Sorgen machen.“

Härtere Antworten gefordert

Schon wird in Moskau diskutiert, ob der russische Botschafter überhaupt nach Washington zurückkehren solle. Zahlreiche Stimmen fordern noch härtere Antworten auf Bidens Killer-Replik. „Russland lässt so etwas nicht ungestraft zu“, sagt Muchin.

Bis auf Weiteres ist unklar, was Moskau demnächst konkret gegen die USA unternehmen könnte. Umgekehrt nicht. Das amerikanische Handelsministerium hat heute neue Exportbeschränkungen für Russland in Kraft gesetzt.