Das Superwahljahr hat für die Partei, die auch nach der Ära Angela Merkel aus dem Kanzleramt heraus regieren will, denkbar schlecht angefangen. Beim Parteitag Mitte Januar, der Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet zum Vorsitzenden kürte, träumte die CDU noch davon, bald zwei weitere Länderchefs stellen zu können. Seit Sonntag ist dieser Traum nicht nur endgültig ausgeträumt, die historisch schlechtesten Ergebnisse in den früheren Parteihochburgen Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz kratzen weiter am Ruf der CDU, speziell in Krisenzeiten eine Art natürliche Regierungspartei zu sein. Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen spricht von „ehemaligen Stammländern“.
Kleines Glück
Manchem Funktionär war am Abend durchaus bewusst, dass der pandemiebedingt hohe Briefwahlanteil einen noch tieferen Absturz verhindert haben könnte. Viele Kreuze waren schon gemacht, bevor die Verfehlungen einzelner Unionsbundestagsabgeordneter zum Maskenskandal und auch noch fragwürdige Verbindungen nach Aserbaidschan bekannt wurden.
Das Debakel allein auf die Affären zu schieben, war manchen in der Partei daher schon kurz nach Schließung der Wahllokale zu wenig. „Es wäre ein schwerer Fehler, uns das vorzumachen“, meint Röttgen. Restlos überzeugen konnte auch die ergänzende Erzählung von Generalsekretär Paul Ziemiak nicht, der „vor allem persönliche Erfolge der Ministerpräsidenten“ in Stuttgart und Mainz ausmachte, gegen deren Amtsbonus in der Coronakrise wenig auszurichten war. Vor allem das Lager derer, die sich vom Parteitag einen wirtschaftsfreundlichen-konservativen Neubeginn erhofft hatte, sieht einen Grund für die Doppelniederlage in der Entscheidung für das vermeintliche Weiter-so unter Armin Laschet.
Wieder Merz?
Die „Umfrageergebnisse der letzten acht Wochen“ im Südwesten haben für Christian von Stetten, der in der Bundestagsfraktion den Parlamentskreis Mittelstand leitet, vor allem eines gezeigt: „Die Nichtwahl von Friedrich Merz zum CDU-Parteivorsitzenden und der damit nicht erfolgte Politikwechsel in Berlin war mitverantwortlich für das schlechte CDU-Wahlergebnis in Baden-Württemberg.“ Ganz anders sieht das sein Landsmann und Fraktionskollege Michael Hennrich: „Wer glaubt, mit einem konservativeren Kurs würden wir wieder zurück auf die Erfolgsspur finden, täuscht sich gewaltig.“ Stattdessen brauche es eine grundlegende Modernisierung, da die Volkspartei CDU die gesellschaftliche Vielfalt nicht mehr abbilde. So deutet sich schon am Wahlabend eine möglich Wiederkehr des unionsinternen Streits um die Richtung in der Nach-Merkel-Zeit an.
Vorwürfe
An Vorwürfen zum Hier und Jetzt mangelte es ebenfalls nicht. Da wird Kanzlerin Merkel wie Parteichef Laschet beispielsweise angelastet, dass vom lange Zeit vorhandenen Amtsbonus auf Bundesebene nicht mehr viel übrig ist – beide hätten es zugelassen, dass Fehler in der Pandemiebekämpfung vor allem der größten Regierungspartei und deren Ministern Peter Altmaier und Jens Spahn angekreidet würden.
Vielen Christdemokraten schwante am Sonntagabend, dass ihr Nimbus als Partei, die das Regierungshandwerk versteht, akut gefährdet ist. Der Gesundheitspolitiker Hennrich nannte „das schlechte Management der Coronakrise seit Herbst letzten Jahres, angefangen bei den Wirtschaftshilfen, über den Ärger rund um das Thema Impfen bis hin zur Teststrategie“. Auch CSU-Generalsekretär Markus Blume sprach auf Twitter „Verfehlungen im Bund“ an: „Bei der Corona-Bekämpfung müssen jetzt schnelle Erfolge her. Nicht die Strategie ist falsch, aber die Umsetzung ist schlecht.“
Impfen, impfen
Eine bessere Bewältigung der Coronakrise, gerade eine erfolgreiche Impfkampagne im Sommer, gilt vielen daher als entscheidender Faktor, damit die CDU im Herbst nicht auch im Bund unter die Räder kommt. „Mit Blick auf die Bundestagswahl ist alles offen“, hieß es am Sonntag fast schon trotzig in Parteikreisen. Den Christdemokraten ist aber wohl bewusst, dass dieser Landtagswahlsonntag die Dinge für sie verkompliziert hat – vor allem weil Koalitionsoptionen jenseits der Union gestärkt wurden: „Das eigentliche Schreckgespenst für uns ist nicht Grün-Rot-Rot, sondern die Ampel.“ Dass sowohl in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz „ohne die CDU regiert“ werden könne, muss Norbert Röttgen zufolge „ein Weckruf für die Union“ sein. Wortgleich äußerte sich auch Blume als CSU-General.
Alles offen
Sein Parteichef Markus Söder äußerte sich am frühen Wahlabend nicht. Auch der CDU-Vorsitzende Laschet wollte sich erst nach den Gremiensitzungen seiner Partei am Montagmittag zu den Landtagswahlen äußern. Die Frage, wie das Misstrauensvotum gegen die CDU die Kür des Unionskanzlerkandidaten beeinflusst, stand dennoch bereits im Raum. Laschet hatte bereits im Vorfeld darauf verwiesen, dass er als erst kürzlich gewählter Bundesvorsitzender in den Landtagswahlkämpfen kaum eine Rolle spiele – ihm wird nachgesagt, die Kandidatur in jedem Fall anzustreben. Aus Parteikreisen ist am Abend aber zu hören, die Entscheidung sei nun „offener“ als zuvor, erst recht wenn Laschet nicht stärker parteipolitisch die Initiative ergreife. Auch in der Maskenaffäre wird ihm intern vorgehalten, sich zu spät geäußert zu haben.