Der Erfolg von Winfried Kretschmann ist, dass er nicht wirkt wie ein Grüner. Für einen Grünen klingt das nicht schmeichelhaft. Aber nur so lässt sich erklären, dass der einzige Ministerpräsident dieser Partei in einem deutschen Bundesland nun schon zum dritten Mal die Landtagswahl als Sieger für sich zu entscheidet– und das in einem urschwarzen noch dazu.
Die CDU mit Kultusministerin Susanne Eisenmann an der Spitze schaffte nur 24,1 Prozent (42 Sitze) - ein historisch schlechtes Wahlergebnis in der einstigen CDU-Hochburg.
Phänomen Kretschmann?
Doch was macht Kretschmann so erfolgreich? Es liegt nicht nur daran, dass der bekennende Katholik einem pragmatischen Politikstil folgt. Darin ähnelt er Angela Merkel, über die er im vorigen Wahlkampf in der Flüchtlingskrise sagte, er bete täglich sie. Angesprochen darauf sagte er kürzlich in der Corona-Krise: „Das war lediglich eine Metapher, die ich gebraucht habe, um zu sagen, wie wichtig die Kanzlerin in dieser Krise war.“ Abgeschwächt hat er seine Wertschätzung für die CDU-Politikerin keineswegs. „Das merkt man in jeder Ministerpräsidentenkonferenz, dass sie einfach eine hervorragende Krisenmanagerin ist. Sie ist immer sehr gut informiert, wägt ab und übernimmt dann die Führung“, lobt er die sechs Jahre jüngere Merkel: „Da dürfen wir froh sein, dass wir sie haben.“
Ein Grüner im Land der Autobauer
Kretschmann agiert ähnlich. Mit einem Gespür für die Situation und einer Prise Humor. 2018 erhielt er von den rheinischen Narren den Aachener Orden wider den tierischen Ernst. Er denke schnell, rede aber mit Bedacht. Und garniere seine Antworten mit feinen Spitzen.
Wer Kretschmann für einen humorlosen Schwaben hält, ist wohl auf den gewöhnungsbedürftigen Dialekt hereingefallen. Baden-Württemberg leidet ein wenig unter seinem Ruf, Schwaben seien fleißig, geizig und humorlos. Dass ausgerechnet ein Grüner das Land der Autobauer auf die Überholspur hält, ist ein Schmäh für sich.
Als Rollenmodell für die Grünen in ganz Deutschland taugt Kretschmann deswegen wenig. Die Bundespartei spürt zwar den „Kretschmann-Effekt“, aber imitieren lässt sich der Stil von Robert Habeck und Annalena Baerbock dennoch nicht, auch wenn beide ebenso realpolitisch ticken wie er. Wenn nach acht Jahren Grünschwarz nun alle nach Stuttgart schauen, wie es dort funktioniert, ist das aber nicht realistisch. Kretschmanns ausgesprochen wertkonservative Haltung funktioniert so wohl nur hier. Auch deshalb kann der Grüne wie Merkel schlicht im Wahlkampf werben: „Sie kennen mich.“
Ingo Hasewend