Brasilien hat zwei Helden. Jahrhundertfußballer Pelé ist der eine. Lula da Silva der andere. Doch im Gegensatz zum Magier auf dem Rasen ist der beliebteste Staatschef der jüngeren Geschichte ein gefallener Held. Verurteilt wegen Korruption. Bestechungsgelder von Baufirmen habe er angenommen, im Gegenzug für Regierungsaufträge. Die "Weltwoche" hatte im Korruptionsfall Lula da Silva einmal geschrieben: "Die Schlinge zieht sich um den Hals von Luiz Inácio Lula da Silva, Held des Volkes, Vater der Armen, Freund der Reichen, Sexsymbol der europäischen Linken. Das ist eine traurige Angelegenheit."

Im Zuge der Ermittlungen im größten Korruptionsskandal Lateinamerikas, "Lava Jato" (Autowäscherei) um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras wurde in Brasilien gegen Dutzende Politiker, Funktionäre und Unternehmer ermittelt. Petrobras hatte zu überteuerten Bedingungen Aufträge an Baukonzerne und andere Firmen vergeben, diese wiederum zahlten Bestechungsgelder an Politiker und Parteien. Eine Reihe von Politikern und Managern landete im Gefängnis, unter ihnen war auch Lula. Er verbrachte eineinhalb Jahre hinter Gittern, bevor der Oberste Gerichtshof entschied, dass er gegen das Urteil in Berufung gehen könne, ohne im Gefängnis sitzen zu müssen. Lula hatte stets seine Unschuld beteuert und die Vorwürfe als politisch motiviert bezeichnet.

Urteile aufgehoben

Jetzt hat Brasiliens Oberstes Gericht alle Korruptions-Urteile gegen Luiz Inácio Lula da Silva aufgehoben. Die Fälle müssen nun vor dem Bundesgericht in Brasília neu aufgerollt werden. Werden die Urteile dort nicht wieder in Kraft gesetzt, darf der 75-Jährige bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr kandidieren. Der 75 Jahre alte Linkspolitiker hatte erst kürzlich erklärt, 2022 den rechten Präsidenten Jair Bolsonaro herausfordern zu wollen.

Lula werden tatsächlich hohe Chancen eingeräumt, viele Brasilianer akzeptieren ihn als einen von ihnen. Lula weiß, was Armut ist. Der Sohn von Analphabeten musste schon als Zwölfjähriger Geld verdienen. Als Schuhputzer, in einer Wäscherei, als Laufbursche. Lesen, Schreiben, Rechnen mussten warten, das kam erst nach und nach. Seine erste Frau Maria de Lourdes starb während der Schwangerschaft zum ersten Kind an einer Hepatitisinfektion, weil die Familie nicht das nötige Geld für die Behandlung zusammenkratzen konnte. Lula engagierte sich fortan in der Gewerkschaft, forderte bessere Entlohnung und ist Gründungmitglied der Arbeiterpartei Partido dos Trabalhadores (PT). 

Soziales und Wirtschaft

Und schließlich war er Brasiliens Staatspräsident, von 2003 bis 2011 - und auch ohne eine Fremdsprache zu beherrschen wirkte der Charismatiker und Pragmatiker anziehend auf der internationalen Bühne. 

Lula da Silva bekam in Brasilien eine ausgewogene Sozialpolitik hin, die Milionen Menschen in den Favelas zugute kam, und er baute sein Land trotzdem zu einer kraftvollen Wirtschaftsmacht auf. Brasilien hatte auf einmal Gewicht in Lateinamerika und der Welt.  "Time" wählte Lula zwischendurch zum "einflussreichsten politischen Führer", und US-Präsident Barack Obama nannte ihn den "beliebtesten Präsidenten der Welt". Doch dann kam der tiefe Fall.

Der sechsfache Vater und zweifache Witwer, der zwischendurch auch noch einen Tumor im Kehlkopf wegstecken musste, scheint tatsächlich wieder in den Ring steigen zu wollen: Lula sagt Bolsonaro den Kampf an.