Nach der eskalierenden Gewalt gegen Demonstranten in Myanmar setzt die Europäische Union ihre Entwicklungshilfe für das südostasiatische Land aus. So solle verhindert werden, dass dem Land nach dem jüngsten Militärputsch finanzielle Unterstützung zukomme, teilte die EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel mit. Die Hilfen sollen normalerweise u.a. Schulen und die ländlichen Entwicklung fördern. Über mehrere Jahre gesehen haben sie ein Volumen mehrerer Hundert Millionen Euro.
Ein Handelsvertreter in Genf sagte, die EU habe die Welthandelsorganisation (WTO) darüber informiert, dass sämtliche Entwicklungszusammenarbeit, die das Militär unterstützen würde, auf Eis gelegt worden sei. Das Militär hatte Anfang Februar die zivile Regierung gestürzt. Seitdem kommt es zu Massenprotesten, gegen die die Sicherheitskräfte zuletzt immer härter vorgingen. Allein am Mittwoch wurden nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 38 Menschen getötet.
Proteste in Myanmar gehen nach blutigstem Tag weiter
Nach dem bisher blutigsten Tag der friedlichen Proteste gegen den Militärputsch in Myanmar sind am Donnerstag erneut zahlreiche Menschen in vielen Landesteilen gegen die Junta auf die Straßen gegangen. Die Polizei eröffnete Augenzeugen zufolge auch diesmal in verschiedenen Orten das Feuer und setzte Tränengas ein. Berichte über neue Todesopfer lagen aber nicht vor.
"Uns ist klar, dass wir jederzeit mit scharfer Munition erschossen werden können. Aber es hat auch keinen Sinn, unter der Junta am Leben zu bleiben, deshalb wählen wir diesen gefährlichen Weg, um dem zu entkommen," sagte der Aktivist Maung Saungkha der Nachrichtenagentur Reuters.
Trauer um die Toten
Zugleich trauerten die Menschen in Myanmar am Donnerstag um die Toten. Nach Angaben der Vereinten Nationen kamen allein am gestrigen Mittwoch mindestens 38 Menschen ums Leben gekommen, als die Polizei mit scharfer Munition auf Demonstranten schoss. Die Zahl der Toten könnte aber weiter steigen, weil viele Menschen teils schwer verletzt wurden, hieß es. Im ganzen Land gedachten Menschen der Opfer mit Blumen, wie auf Videos und Bildern in Sozialen Netzwerken zu sehen war.
Mehrere westliche Botschaften in Myanmar posteten als Zeichen der Trauer auf Facebook schwarze Profilbilder. Die US-Botschaft schrieb darunter: "Es ist uns unerträglich, den Verlust so vieler Menschenleben in Myanmar zu sehen. (...) Das Zielen auf Zivilisten ist abscheulich."
"Wir müssen für Gerechtigkeit kämpfen und auch für die Seelen, die wir wegen dieser terroristischen Armee verloren haben", sagte die 45-jährige Wai Wai der Deutschen Presse-Agentur am Telefon. Sie nahm in der nördlichen Stadt Mandalay an der Beerdigung einer 19-Jährigen teil, die zuvor durch einen Kopfschuss getötet worden war.
Augenzeugen und Medien zufolge löste die Polizei am Donnerstag mit Gewehrfeuer und Tränengas Proteste unter anderem in der größten Stadt Yangon (Rangun) sowie im zentral gelegenen Monywa und in Pathein auf. In Yangon versammelte sich anschließend dennoch wieder eine größere Menge, und stimmte Sprechchöre und Gesänge an. Fünf Kampfjets des Militärs überflogen in Formation und niedriger Höhe die zweitgrößte Stadt Mandalay, offenbar um Stärke zu zeigen. Trotzdem kamen auch hier später Demonstranten friedlich zusammen, ebenso wie in der historischen Tempel-Stadt Bagan, wo Hunderte nach Angaben von Augenzeugen die Freilassung der seit dem Putsch festgehaltenen De-Facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi forderten.
Sanktionen kümmern Junta nicht
Die UNO-Sonderbeauftragte für Myanmar, Christine Schraner Burgener, sagte in New York, sie habe den stellvertretenden Militärchef Soe Win gewarnt, dass das Militär mit harten Maßnahmen einiger Länder und Isolation rechnen müsse. "Die Antwort war: 'Wir sind an Sanktionen gewöhnt, und wir haben überlebt. (...) Wir müssen lernen, nur wenige Freunde an unserer Seite zu haben'."
Diplomaten zufolge soll sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am Freitag unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit der Lage befassen. Die USA haben China nach Angaben von Außenamtssprecher Ned Price dazu aufgefordert, eine "konstruktive Rolle" zu spielen. Die Volksrepublik lehnt es bisher ab, den Putsch zu verurteilen. In chinesischen Staatsmedien wurden die Vorgänge als "große Kabinettsumbildung" beschrieben.
Das Militär in Myanmar hatte vor rund einem Monat gegen Aung San Suu Kyi geputscht und sie unter Hausarrest gestellt. Als Grund führten die Generäle Unregelmäßigkeiten bei der Parlamentswahl vom November an, die Suu Kyi klarem Vorsprung gewonnen hatte. Die Demonstranten fordern die Wiedereinsetzung der 75-Jährigen, die im Land äußerst beliebt ist. Wie viele Menschen bisher insgesamt von Sicherheitskräften getötet, verletzt oder festgenommen wurden, ist unklar. Es waren aber mehr als 50.
Polizisten flüchten nach Indien
Inzwischen haben sich inmitten des immer härteren Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters drei Polizeibeamte aus Myanmar nach Indien abgesetzt, um Zuflucht zu suchen. "Sie haben gesagt, dass sie Anweisungen von der Militärherrschaft bekommen haben, die sie nicht befolgen können. Also sind sie weggelaufen", sagte Polizeiinspektor Stephen Lalrinawma aus dem indischen Unionsstaat Mizoram am Donnerstag. Dort kamen die drei Polizisten aus Myanmar den Angaben nach am Mittwoch über die Grenze. Indien und Myanmar trennt eine etwa 1.640 Kilometer lange Landgrenze.