Schritt für Schritt will die britische Regierung jetzt die Covid-Restriktionen Englands, die zu den striktesten der Welt gehören, wieder lockern. Seinen lang erwarteten „Fahrplan“ dazu legte Premierminister Boris Johnson am Montag dem Unterhaus vor.
Vom 8. März an sollen alle englischen Schulen erneut den Betrieb aufnehmen – ungeachtet der Forderung der Lehrer-Gewerkschaften nach einer vorsichtigeren und abgestuften Öffnungsweise. Zugleich sollen Menschen in Alters- oder Pflegeheimen wieder einzelne Familienangehörige empfangen können, um ihnen auch physisch nahe zu sein.
Was wird erlaubt sein?
Im Freien soll es jedermann erlaubt sein, mit jeweils einer anderen Person zum Beispiel zu einem Kaffee oder einem Picknick zusammenzusitzen. Diese Erlaubnis soll drei Wochen später – kurz vor Ostern – erweitert werden auf Zusammenkünfte von zwei Haushalten oder maximal sechs Personen im Freien, oder auch im eigenen Garten, aber noch nicht drinnen im Haus.
Irgendwann im April sollen dann Universitäten, Friseursalons und die meisten Geschäfte erneut öffnen dürfen. Möglicherweise wird von da an auch Gaststätten-Betrieb im Freien gestattet. Und im Mai oder Juni sollen Restaurants und Pubs wieder vollständig öffnen können, wiewohl mit möglicher zahlenmäßiger Begrenzung und weiterer Pflicht zur Distanz.
Ähnliche Lockerungen wie in England sind in Schottland, Wales und Nordirland geplant oder schon im Gange. Viele Briten glauben, dass die Zeit für eine solche Aufhebung von Restriktionen jetzt gekommen ist, nachdem die Infektionsrate und die Zahl der Klinik-Patienten seit Januar stark gesunken ist.
Viertel aller Briten bereits geimpft
Vor allem hat inzwischen mehr als ein Viertel aller Briten mindestens eine Dosis an Impfstoff erhalten. Mit einer gut geplanten und effizient durchgeführten Impf-Operation hat sich Großbritannien eine bessere Ausgangslage im Kampf gegen das Virus verschaffen können. An manchen Tagen wird im Vereinigten Königreich eine halbe Million Menschen geimpft.
Bis Mitte April sollen alle Personen im Alter von über 50 Jahren sowie alle besonders „gefährdeten“ Bürger zumindest die erste Impfung erhalten haben. Und bis Ende Juli praktisch alle Erwachsenen im Land.
Gute Nachrichten rund um AstraZeneca
Gute Nachrichten kamen am Montag von der Universität Edinburgh, die ermittelt hat, dass schon Impfungen der „ersten Runde“ zu einer dramatischen Reduktion von Krankenhaus-Einweisungen führen. Der Edinburgh-Studie zufolge hat der Impfstoff AstraZeneca drei Wochen nach Verabreichung der ersten Dosis die Zahl der Einweisungen um 94 Prozent verringert. Pfizer kommt im selben Zeitraum auf 85 Prozent.
Entsprechend ist, just in den ersten milderen Tagen dieses Jahres, neue Zuversicht zu spüren auf den Britischen Insel – wiewohl die meisten Wissenschaftler warnen, dass absolut kein Grund zu „leichtfertigem Handeln“ bestehe. Sie verweisen darauf, dass die Infektionszahlen trotz des erfreulichen Absinkens noch immer relativ hoch liegen – höher als im Schnitt der EU.
In jüngster Zeit hat sich die Abnahme der Infektionen auch bedenklich abgeflacht in manchen Landesteilen. Und immer wieder werden die Briten daran erinnert, dass sie mit zwischen 120.000 und 140.000 Corona-Opfern die höchste Gesamtzahl an Toten in Europa haben.
Besondere Sorge herrscht wegen der neuen Mutationen. Alles in allem müsse man, wenn man Restriktionen aufheben wolle, äußerst vorsichtig vorgehen, meint etwa der Uni-Bristol-Professor Adam Finn: „Denn ganz sicher ist nur eins – wenn wir zu schnell oder zu weitläufig lockern, handeln wir uns eine weitere Infektionswelle und einen erneuten Lockdown ein.“
Eine solche Situation will auch Boris Johnson um jeden Preis vermeiden. Nachdem er sich im Vorjahr immer wieder zu voreiligen Versprechen hinreißen ließ, dämpft der Briten-Premier neuerdings Erwartungen erst einmal. Im Unterschied dazu verlangen rund 70 Tory-Abgeordnete und die einflussreiche englische Rechtspresse ein sofortiges Ende des Lockdown, einen „Big Bang“.
Der „libertäre“ Flügel der Konservativen fordert „Freiheit“ spätestens zu Ostern, Laden-Öffnungen, Kinoabende, vollen Pub- und Restaurant-Betrieb. In den Stadien sollten die Zuschauerränge wieder geöffnet werden. Und zum Sommer solle man reisen dürfen, „wohin man will“.
Mehr fixe Kalender-Daten für den Abschied von bestehenden Restriktionen hätten die Betreffenden gern gesehen. Aber die hat Johnson in seinem „Fahrplan“ lieber ausgelassen.
Natürlich, beteuerte er, sei auch ihm an nichts so gelegen wie an einer Wieder-Ankurbelung der Wirtschaft und einem Neustart des sozialen Lebens. Aber statt an Kalender-Daten, fügte er hinzu, müsse man sich an wissenschaftlichen Daten, am jeweils aktuellen Stand der Forschung, orientieren.
unserem Korrespondenten Peter Nonnenmacher aus London