Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow warnt die Europäer vor neuen Sanktionen gegen sein Land wegen der jüngsten Entwicklungen im Fall Nawalny: "Ich möchte nicht darüber spekulieren, ob unsere Partner eine neue Runde illegitimer einseitiger restriktiver Maßnahmen gegen mein Land einleiten werden. Wenn und falls das passiert, werden wir vorbereit sein zu antworten", sagte er dem deutschen Sender "Welt" vor dem Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel.

"In jedem Fall werden Russlands Maßnahmen auf Fakten und Analyse und nicht auf Vermutungen und Emotionen basieren", kündigte der Diplomat laut einer Vorabmeldung an. Tschischow sagte zudem, das "Potenzial" der Beziehungen zwischen der EU und Russland sei "tatsächlich groß, obgleich weitgehend ungenutzt".

In diesem Zusammenhang machte er der EU schwere Vorwürfe: "Die Entscheidungen unserer Partner in der EU sind unlogisch und erstaunlich politisiert. Unsere Partner in der EU haben in den vergangenen Jahren systematisch eine Entwicklung der Beziehungen unter Vorwänden, die an den Haaren herbeigezogen waren, behindert." Aber Russland sei ein "verlässlicher Partner", der im Gegenzug die Tür nicht zuschlage und weiterhin auf Zusammenarbeit setze und "jedes umstrittene Problem respektvoll und offen diskutiert". Dies sei auch im Interesse "der supranationalen Institutionen der EU und ihrer Mitgliedstaaten", erklärte der Diplomat.

"Sobald sie (die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten; Anm. ) die Stärke und den politischen Willen finden, von ihrem Sockel der eingebildeten Einzigartigkeit herunter zu kommen und zu einer pragmatischen Zusammenarbeit auf Augenhöhe zurückzukehren, werden die Beziehungen zwischen Russland und der EU sicherlich wieder gedeihen", so der Botschafter.

Der Chef des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament, David McAllister (CDU) forderte eine Überarbeitung der bisherigen Russland-Strategie der EU vom März 2016. McAllister sagte "Welt": "Leider ist das Verhältnis zu Moskau nach den jüngsten Ereignissen auf einen weiteren Tiefpunkt angelangt. Der Umgang mit Herrn Nawalny oder die Ausweisung von drei EU-Diplomaten sind nur weitere Argumente von vielen, die Russland-Strategie der Europäischen Union neu zu bewerten". Er, "rechne damit, dass sich die EU-Außenminister einstimmig für zusätzliche Sanktionen aussprechen werden", sagte Parlamentarier weiter.

Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas plädiert für weitere Sanktionen gegen Russland wegen der Verurteilung des Kreml-Kritikers. "Ich bin dafür, hier den Auftrag zu erteilen, derartige Sanktionen, Listung von Einzelpersonen vorzubereiten", sagte Maas am Montag in Brüssel vor Beginn des EU-Außenministerrates. Als Begründung fügte er zudem an, dass Nawalny seine Haft auch noch in einem Straflager verbringen müsse. "Wir haben schon bei der Vergiftung von Nawalny deutlich gemacht, dass wir nicht bereit sind, den Bruch internationalen Rechtes zu akzeptieren, und haben Sanktionen verhängt", sagte Maas.

Die EU werde aber auch über Wege reden, wie man mit Russland in einem "konstruktiven Dialog" bleiben könne. "Wir brauchen Russland, um viele internationale Konflikte beizulegen", sagte Maas. Die Beziehungen zwischen der EU und Russland befänden sich aber derzeit auf einem Tiefpunkt.