Es ist eine Hiobsbotschaft für seine Anhänger: Alexej Nawalny, erst vor zwei Tagen aus Deutschland in seine Heimat zurückgekehrt und auf der Stelle festgenommen, wurde nun in das Moskauer Gefängnis "Matrosen-Ruhe" gebracht. Den Name der seit 1945 bestehenden Anstalt hat der Volksmund von der gleichnamigen Straße (uliza Matrosskaja Tischina) im Stadtteil Sokolniki im Nordosten der Stadt entlehnt. Die offizielle Bezeichnung lautet „Untersuchungsgefängnis Nr. 1 des Föderalen Strafvollzugsdienstes Russlands in der Stadt Moskau“.

Das Haus ist nach einem Matrosen-Altersheim aus dem 18. Jahrhundert benannt. Die Realität der "Matrosen-Ruhe" ist aber nicht so lieblich wie ihr Name. Ein Teil der Untersuchungshaftanstalt werde vom Inlandsgeheimdienst FSB kontrolliert, kritisiert man bei Nawalnys Anti-Korruptionsstiftung – „eben der FSB, der versucht hat, Nawalny zu vergiften". Dazu kommt: Mit seinem Anruf bei einem der FSB-Mitarbeiter, der dabei gestand, das Gift sei an Nawalnys Unterhose angebracht gewesen, hatte Nawalny dem Geheimdienst eine schwere Blamage zugefügt. Die Sorgen seines Teams um sein Wohlergehen sind daher mehr als verständlich. Kreml und offizielle Stellen bestreiten, hinter dem Gift-Anschlag zu stehen.

Tatsächlich gab es in der "Matrosen-Ruhe" schon in der Vergangenheit einen prominenten Todesfall, der ungeklärt blieb: 2009 starb der Wirtschaftsprüfer Sergej Magnitzkij in der Haft - auch er hatte Korruptionsfälle im Umfeld hoher Beamter untersucht und wurde schließlich von den Behörden selbst der Steuerhinterziehung beschuldigt und verurteilt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilte Russland im Mai 2019 zu einer Strafzahlung, da der Prozess unfair und die medizinische Versorgung im Gefängnis unzureichend gewesen sei.

Auch der Ölmagnat und frühere Yukos-Chef Michail Chodorkowskij, der die Opposition unterstützte und ein offenes, demokratisches Russland forderte, saß zwischenzeitlich in der "Matrosen-Ruhe" ein. Insgesamt zehn Jahre wurde Chodorkowskij gefangen halten, lange Zeit davon auch in Lagerhaft in Sibirien. Heute lebt der im Exil; politische Pläne musste er abschreiben.

Bekannte Häftlinge

In der "Matrosen-Ruhe" landete auch der Chodorkowskij-Vertraute Platon Lebedew, die ukrainische Politikerin Nadja Sawtschenko, der Schriftsteller Felix Swetow (1986) und der ehemalige sowjetische Verteidigungsminister Dmitrij Jasow, der 1991 am Augustputsch gegen Gorbatschow beteiligt gewesen war.

Am 2. Februar soll  im Fall Nawalny ein Gericht darüber verhandeln, ob eine umstrittene Bewährungsstrafe aus dem Jahr 2014 in eine Gefängnisstrafe umgewandelt wird. Dann könnte er von der "Matrosen-Ruhe" in Lagerhaft kommen.